Saturday 26 January 2013

1913/2013: Scheidender Euro-Gruppen-Chef Juncker warnt vor Krieg



Gerhard Wisnewski


Gerade erst gab der luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker den Vorsitz der Euro-Gruppe ab. Soweit, so normal. Sonst noch was? Und ob: Nur zwei Wochen zuvor hielt Juncker beim Neujahrsempfang für die luxemburgische Presse seine eigentliche Abschiedsrede – zugleich sein politisches Vermächtnis. Darin machte Juncker äußerst dunkle Andeutungen...
Jean-Claude Juncker ist ein ganz alter Hase und die große Spinne im Netz der europäischen Nomenklatura. Wenn man jemanden als europäischen, ja globalen Insider bezeichnen kann, dann wohl ihn. 1989 wurde Juncker luxemburgischer Finanzminister und Gouverneur bei der Weltbank owie einer der Architekten des Vertrages von Maastricht. Seit 1995 ist Juncker Premierminister von Luxemburg. Mehrmals amtierte er als EU-Ratspräsident; von 2005 bis Anfang 2013 war er Vorsitzender der Euro-Gruppe.

Die Mitgliedsstaaten der EU überschütteten ihn mit Auszeichnungen – einschließlich des Großen Bundesverdienstkreuzes. Als Karlspreisträger hat er höchste europäische Weihen erhalten und gehört zur obersten Elite der europäischen Zirkel. Damit ist er auch eine zentrale Figur des internationalen diplomatischen Parketts und kungelte mit sämtlichen Mächtigen dieser Welt. Kurz: Jean-Claude Juncker ist ein Elefant der internationalen Politik.

Eine totgeschwiegene Rede

Wenn so einer spricht, dann haben seine Worte eine besondere Wucht. Insbesondere, wenn diese Rede gleichzeitig so etwas wie seine Abschiedsrede ist und sein politisches Vermächtnis beinhaltet. Gemeint ist die Neujahrsansprache Junckers vor der luxemburgischen Presse am 7. Januar 2013 – also zwei Wochen vor seinem Abtritt als Euro-Gruppen-Chef am 21. Januar. Und wenn so einer redet, sollte man meinen, dass seine Worte nicht ungehört bleiben und die internationale, insbesondere aber die europäische Presse ausführlich darüber berichtet.

Doch interessanterweise ist diese Ansprache glatt an unseren Medien vorbei gegangen. Bemüht man Google News, findet man keine einzige Fundstelle in den Mainstreammedien – was eigentlich nur eine Deutung zulässt: Die Rede wurde totgeschwiegen.

Zaunpfahl und Holzhammer

In seiner Ansprache schwang Juncker den Zaunpfahl und den Holzhammer zugleich und stieß die etwa 80 versammelten Journalisten immer wieder mit der Nase auf seine Kernbotschaft: 2013 ist nicht irgendein Jahr, sondern 2013 jährt sich das Vorkriegsjahr 1913 zum 100. Mal. Das Jahr 2013 habe »eine besondere Bedeutung, wenn man sich für Geschichte interessiert«, unkte der scheidende Euro-Gruppen-Chef. Er sei »überrascht, dass man sich in der Luxemburger Publizistik nicht mit der Bedeutung des Jahres 1913 und mit dem, was seither geschehen ist, beschäftigt hat.

Ganz im Gegensatz zum Rest der internationalen Publizistik, wo dies ein vorherrschendes Thema der Jahreswende war.« Tatsächlich? Die deutsche Publizistik kann Juncker damit nicht gemeint haben. Denn eine Debatte über dieses letzte Jahr vor dem Ersten Weltkrieg hat es hier so gut wie nicht  gegeben. Bei Google News fällt zum Stichwort »1913« hauptsächlich das beredte Schweigen der deutschen Presse auf.

Die geheimnisvolle 13

In der Zahl 13 liege ja »so manches«, fährt Juncker mit einer geradezu okkulten Bemerkung fort. Ihm habe diese Zahl zwar immer Glück gebracht. Aber im Jahr 13 liege »viel Geheimnisvolles, viel, das es zu hinterfragen gilt, und im Jahr 1913 ist viel geschehen, was nicht ohne Parallelen mit dem  Jahr 2013 ist«. Im Jahr 1913 sei die Globalisierung »enorm weit vorangeschritten, weiter als Geschichtsunkundige wissen«. Tatsächlich unterscheide sich »die Globalisierung des Jahres 2013 nicht grundsätzlich von derjenigen des Jahres 1913«, die durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen worden sei. Bevor es später (nach den beiden großen Kriegen) zum Kalten Krieg gekommen sei, »hatten wir ein Jahr 1913«, reitet Juncker weiter auf diesem Jahr herum, damit es auch noch der Letzte kapiert.

Ein Jahr, in dem »die Menschen meinten, der Friede sei für ewige Zeiten gesichert«. So finde man in der Literatur des Jahres 1913 »eine Friedensgläubigkeit, die unbändig war. Und die in keinerlei Hinsicht den Sturm verraten hat, der bereits im Jahr 1914 über Europa hereingebrochen ist – zunächst im Ersten und dann im Zweiten Weltkrieg«.

»Unendliche Parallelen«

Ja, das Jahr 1913 weise »unendlich viele Parallelen zum Jahr 2013 auf. Oder das Jahr 2013 zeigt unendlich viele Parallelen zum Jahr 1913«, so Juncker. Und »jeder wäre gut beraten, diese Jahre miteinander zu vergleichen, 13 und 13. Und die 100 Jahre, die dazwischen liegen, sowie auch die Tatsache zu würdigen ..., dass wir auch im Jahr 1913 gemeint haben, der Friede sei endgültig gesichert, weil wir damals auf 42 Jahre Frieden in Europa zurückblicken konnten«. »Die Dinge«, warnt Juncker überdeutlich, »liegen nahe beieinander und die Dinge berühren sich, wie ich hoffe, auf nicht dramatische Art und Weise«.

Weiß der scheidende Euro-Gruppen-Boss etwas, das wir nicht wissen? Hängt es vielleicht mit der Schulden- und Wirtschaftskrise zusammen und damit, dass derartige Probleme bisher immer mit einem Krieg einher gingen? Denn die Währungs- und Schuldenprobleme der Union dürften dem obersten Euro-Chef vertraut sein wie sonst niemandem. Und wenn sich Wirtschafts- und Schuldenkrisen nicht anders lösen ließen, war ein Krieg bisher noch immer die letzte Option.

Denn wie sagte doch einst der US-Notenbankchef Paul Volcker: »Bei einem derart hohen Verschuldungsgrad war bislang noch immer ein Krieg bezeichnend.«

Übersetzung aus dem Luxemburgischen: Gisela Röder


Quelle; KOPP Online (25.01.2013)

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