Thursday 22 November 2012

Wirtschaftliche Triebkräfte von Rüstung und Krieg (Helmut Creutz)


Helmut Creutz


Wirtschaftliche Triebkräfte von Rüstung und Krieg

"Wenn der Friede die Frucht der Gerechtigkeit ist, dann ist der Konflikt, die kriegerische Auseinandersetzung, die Frucht der Ungerechtigkeit. Tatsächlich waren fast alle Kriege der letzten Jahrhunderte Wirtschaftskriege."
Adolf Paster [1]



Übersicht

01. Einleitung 
02. Ungerechtigkeit und Unfrieden in der Geschichte 
03. Konjunktur – Krisen – Kriege Kapitalbildung und -vernichtung 
04. Kalter Krieg im Norden und heiße Kriege im Süden 
05. Der Missbrauch der Entwicklungsländer 
06. Rüstungsindustrie als Konjunkturstütze 
07. Kapitalvernichtung in sogenannten Reinigungskrisen 
08. Die Kriege am Golf 
09. Die Balkankriege der 90er Jahre 
10. Die Auswirkungen von Währungszerrüttungen 
11. Die Hintergründe der westlichen Eingriffe 
12. Hindernisse für Abrüstung und Konversion 
13. Durch Gerechtigkeit zum Frieden




1. Einleitung

Alle Kriege, zumindest in unseren Zeiten, sind letztlich als Wahnsinn anzusehen. Das gilt in einem ganz besonderen Maße für jene auf dem Balkan, deren Voraussage in den 80er Jahren und auch noch unmittelbar nach der Wende in Mittel- und Osteuropa nur Kopfschütteln ausgelöst hätte.

Wie aber kommt es heute noch zu solchen barbarischen Auseinandersetzungen in einer sich als zivilisiert bezeichnenden Welt? Wie kann es geschehen, dass Menschen, die über Jahrzehnte friedlich zusammengelebt haben, auf einmal einander Gewalt antun? Wie kam es zu jener mehr als zehn Jahre dauernden jugoslawischen Tragödie?

Geht man diesen Fragen intensiver nach, dann stellt sich heraus, dass dieses Blutvergießen keinesfalls nur eine Folge der dortigen ethnischen Gegebenheiten war. Auch mit der wechselvollen Geschichte dieses Landes hat es nur bedingt zu tun. Vielmehr hängt es entscheidend mit bestimmten ökonomischen und monetären Gegebenheiten und Fehlentwicklungen zusammen, die auch in früheren Zeiten und an anderen Orten zu Bürgerkriegen oder grenzüberschreitenden gewaltsamen Auseinandersetzungen führten.

Bevor wir uns mit diesen speziellen Gegebenheiten in Jugoslawien näher befassen, sollen darum einige Gedanken zu den angesprochenen wirtschaftlichen Gründen für Frieden oder Krieg vorausgeschickt werden.


2. Ungerechtigkeit und Unfrieden in der Geschichte

So weit wir wissen, war das Auf und Ab der Kulturen und Epochen immer wieder von Kriegen begleitet. Liest man manche Geschichtsbücher, dann scheint die Entwicklung der Menschheit oft nur aus einer Kette von Kriegen zu bestehen, von Kriegen, bei denen es vor allem um die Eroberung von Land und Bodenschätzen ging, um die Beherrschung wichtiger Handelswege und ganzer Völker. 

Verständlich, dass die Humanisten und Aufklärer der beginnenden Neuzeit immer wieder die große Hoffnung formulierten, dass fortan alle Menschen durch den technischen Fortschritt zu Wohlstand gelangen und im "ewigen Frieden" (Kant) miteinander leben könnten. Und die Klassiker des Liberalismus entwickelten die dazu passende Vorstellung von einem ökonomischen Interessenausgleich zwischen den Individuen auf freien Märkten. Bei ihrem Modell einer Marktwirtschaft versäumten Adam Smith und die anderen liberalen Klassiker aber darauf zu achten, dass allen Menschen der Boden und seine Schätze zu gleichen Bedingungen zugänglich werden. Und indem sie das Geld als ein bloß neutrales Tauschmittel betrachteten, über- sahen sie, dass mit dem Geld auch eine strukturelle Macht verbunden ist, die auf den Märkten die Menschen immer wieder in Ärmere und Reichere spaltet.

Während sich aufgrund dieser Gegebenheiten in wenigen Händen große Geld- und Sachkapital- vermögen akkumulierten, vor allem durch die Wirkungen von Zins und Zinseszins, entstand im 19. Jahrhundert auf der anderen Seite ein armes Industrieproletariat. Trotz vielfältiger technischer Arbeitserleichterungen, die hundert Jahre vorher kaum vorstellbar waren, kam es zu keiner allgemeinen Ausbreitung des neuzeitlichen Wohlstands. Neben der wachsenden Kluft zwischen Reichtum und Armut wiederholten sich immer wieder Krisen und Konjunktureinbrüche, deren Folgen überwiegend von der Mehrheit der abhängig Beschäftigten zu tragen waren.

Zu solchen Einbrüchen kam es vor allem dann, wenn sich während der Hochkonjunkturphasen so viel Kapital gebildet hatte, dass sich infolge sinkender Zinsen seine Verwertungsmöglichkeiten verschlechterten. Die Folge waren sogenannte Reinigungs- oder Gesundschrumpfungskrisen, die zu einer partiellen oder breiteren Vernichtung von Kapital bzw. zumindest einer deutlichen Unterbrechung der Kapitalbildung führten. Damit konnten die Zinsen wieder steigen und die Konjunkturzyklen von neuem beginnen – bis zur nächsten Krise. Doch nicht nur durch die allgemeinen Wirtschaftskrisen und zivilen Kapitalvernichtungen wurde immer wieder Raum für neue Investitionen und Geldanlagen geschaffen, sondern auch durch marktfremde Güterproduktionen wie vor allem die Rüstung und noch mehr natürlich durch kriegerische Zerstörungen.

Eine andere Möglichkeit, Raum für neue Investitionen zu schaffen, war die Herrschaftsausweitung der europäischen Länder auf die übrige Welt, vor allem im Zuge kolonialer Eroberungen in Übersee, die gleichzeitig mit der Ausnutzung billiger Rohstoffquellen und Arbeitskräfte sowie der Ausweitung der Absatz- und Wachstums- märkte verbunden war.


3. Konjunkturen – Krisen – Kriege Kapitalbildung und Kapitalvernichtung

Für diese vorbeschriebene Kette zinsbedingter Krisenzeiten mag ein Artikel Zeugnis geben, der im Dezember 1988 von der deutschen Kundenzeitschrift "Sparkasse" veröffentlicht wurde, und zwar als Nachdruck eines Beitrags aus der gleichnamigen Zeitschrift des Sparkassenverbandes aus dem Jahre 1891(!) Dieser also vor mehr als einhundert Jahren geschriebene Artikel befass- te sich mit dem Trend sinkender Zinsen gegen Ende des 19. Jahrhunderts und seinen Hinter- gründen, die er wie folgt erklärte:

"Die Ursache für das Sinken des Zinsfußes wird vorzüglich darin gefunden, daß die besonders rentablen Kapitalanlagen großen Maßstabes heute erschöpft sind und nur Unternehmungen von geringer Ergiebigkeit übrig bleiben." Und um den damals auf drei Prozent gesunkenen Zinssatz vor einem weiteren Fall zu bewahren, müßten – so hieß es weiter – "... die neuen Länder, beispielsweise Afrika, sehr rasch durch europäische Kapitalien erschlossen werden, da- mit einem solchen Sinken begegnet werde." 

Doch da auch das die sinkende Zinsentwicklung nicht umkehren könne, schließt der Artikel aus der Sparkassenzeitung mit folgender inhaltsschwerer Aussage: 

"Nur ein allgemeiner europäischer Krieg könnte dieser Entwicklung Halt gebieten durch die ungeheure Kapitalzerstörung, welche er bedeutet."

Dieser Schluß scheint ungeheuerlich! Aber er ist – wie wir wissen – seit 1891 zweimal in Erfüllung gegangen: Zwei "allgemeine europäische Kriege", die man sogar weltweit ausdehnen konnte, haben dem Sinken des Zinsfußes nicht nur jeweils Halt geboten, sondern den Zinsfuß auch erneut auf lukrative Höhen angehoben!

In welchem Maße bei diesen beiden großen Kriegen und den ihnen nachfolgenden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allein für die direkten Kriegskosten Kapital vernichtet wurde, geht aus der folgenden Tabelle hervor. [2]





Dabei sind in diesen Milliardenbeträgen, angeführt in Werten von 1995, die Ausgaben für den anschließenden Wiederaufbau noch nicht einmal einbezogen. Diese Wiederaufbaukosten schlagen sich dann über Jahre hinweg als positive Größen in den Sozialprodukten der Länder nieder, wobei man die zwangsläufig großen Wachstumsraten des Wiederaufbaus dann stolz als ‘Wirtschaftswunder' feiert.

Auf die Zusammenhänge zwischen Krieg und Zinshöhe hat auch der große englische Dichter George Bernhard Shaw während des Zweiten Weltkriegs aufmerksam gemacht: "Ich verabscheue den Krieg und sehe keinen Unterschied an Grauenhaftigkeit zwischen den Bombardierungen Londons, Neapels und Kölns. Sie alle sind abscheulich für mich. Damit stehe ich nicht allein. Alle Kapitalisten, die ich kenne, hassen den Krieg genau so wie ich. Anzunehmen, dass einer von uns wohlüberlegt ein angezündetes Streichholz in ein Pulvermagazin schleudern würde, damit der Zinssatz um zwei oder drei Prozent steigt, ständen in krassestem Widerspruch zur Natur des Menschen und zu den nackten Tatsachen ... Und trotzdem folgt auf zweieinhalb Prozent mit der gleichen Gewißheit Krieg, wie die Nacht dem Tag folgt." [3]

Und der schweizerische Theologe Karl Barth hat diese Beziehungen zwischen Zins, Kapital und Gewalt auf folgenden Nenner gebracht: "Wo nicht der Mensch, sondern das zinstragende Kapital der Gegenstand ist, dessen Erhaltung und Mehrung der Sinn und das Ziel der politischen Ordnung ist, da ist der Automatismus schon im Gang, der eines Tages die Menschen zum Töten und Getötetwerden auf die Jagd schicken wird." [4]

Doch trotz all dieser Erfahrungen und Warnungen blieb das zinstragende Kapital auch nach dem zweiten Weltkrieg weiterhin das 'goldene Kalb', um das sich alles Wirtschaften drehte, auch wenn man manche Rüstung durch andere letztlich fragwürdige Investitionen und Produktionen ersetzen konnte und manche kriegerischen Auseinandersetzungen alten Stils durch ein ständiges Wirtschaftswachstum, das in vielen Fällen zu einen Krieg gegen die Natur ausartete.


4. Kalter Krieg im Norden und heiße Kriege im Süden

Nach den beiden großen Weltkriegen verlagerte sich das Kriegsgeschehen aus dem industrialisierten Norden vor allem in die Länder des 'unterentwickelten' Südens. Das heisst, man folgte dem Rat aus dem Jahr 1891 gleich auf doppelte Weise, indem man diese Länder nicht nur über hohe Verschuldungen mit Industriegütern versorgte, sondern auch noch mit den Rüstungsgütern zur Durchführung von Stellvertreterkriegen, bei denen man gleichzeitig die Qualität neuer Waffen erproben konnte. 

Doch ob- wohl man auf diese Weise Europa und die USA kriegsfrei halten konnte, betrieb man während des sogenannten Kalten Krieges zwischen West und Ost eine Aufrüstung, deren Größenordnung alles bislang Dagewesene in den Schatten stellte. Allein ein einzelnes U-Boot der US-Trident-Klasse wurde bereits mit einer Atomraketen- Bestückung ausgerüstet, deren Sprengkraft die der gesamten im letzten Krieg in Europa und Asien eingesetzten weit überstieg. Mit diesem immer wahnsinnigeren und immer teureren Wettrüsten sorgte man nicht nur für lukrative Kapitalanlagen, sondern zwang schließlich auch den Ostblock in die Knie, der – neben der Versorgung seiner Bevölkerung – das Tempo dieser Aufrüstung nicht mithalten konnte.

Dennoch trafen der westliche Kapitalismus und der östliche Kommunismus nicht nur bei diesem 'Rüstungskrieg' und indirekt bei den Stellvertreterkriegen im Süden aufeinander, sondern auch direkt bereits im Korea-Krieg und in einer bisher kaum bekannten grausamen Realität und Brutalität zum zweiten Mal in Vietnam. Das Ausmaß der dabei angerichteten Schäden an Mensch und Natur, auch an den seelischen der Überlebenden, ist kaum zu ermessen.

Neben den militärischen Formen der Kapitalvernichtung, zu denen auch der ständige Austausch der Waffengenerationen gegen neue und immer kostspieligere zu zählen ist, wurden in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg auch verschiedene zivile Formen entwickelt, die Kapitalmärkte tendenziell vom Druck der überschüssigen Geldvermögen auf die Zinsen zu entlasten.

Dies geschah einmal durch eine ständig steigende Verschuldung der Südhalbkugel, mit der gewissermaßen die frühere Ausbeutung durch offene Sklaverei in eine versteckte umgewandelt wurde. Der brasilianische Arbeiterführer Luis Ignacio Silva bezeichnete darum die Auswirkungen der Auslandsschulden einmal als "Dritten Weltkrieg", als "geräuschlosen, aber deshalb nicht weniger unheilvollen Krieg ... gegen die gesamte Dritte Welt, ein Krieg um die Auslandsschulden. Seine schärfste Waffe ist der Zinssatz, und sie ist tödlicher als die Atombombe." [5]

Mit diesen Kreditgewährungen an den Süden entlastete der Norden außerdem die Kapitalmärkte in den Industrienationen und trug auf diese Weise – auf Kosten der Schuldnerländer – zu einem Hochbleiben der Zinsen bei. Dass die Schuldnerländer zur Bedienung ihrer Schulden zum Export um jeden Preis und zu entsprechenden Dumpingangeboten gezwungen waren, kam dem Norden über billige Rohstoff- und Agrarpreise nochmals zugute. Die US-Publizistin Susan George hat nicht zu Unrecht eines ihrer Bücher mit dem Titel "Sie sterben an unserem Geld" versehen [5]. Und auf dem Völkertribunal anlässlich der Tagung des IWF in Berlin 1988 fand man noch stärkere Worte: "Der Terrorismus der heutigen Welt ist der Terrorismus des Geldes".

Zum zweiten erreichte man in den Industriegesellschaften die zur Zinshochhaltung erforderliche Kapitalknappheit (und damit die Vermeidung größerer kriegerischer Kapitalvernichtungen) bislang mit einer ressourcenverschwendenden Produktion von Verschleiß- und Wegwerfgütern, also mit einem gigantischen Krieg gegen die Vernunft und die Natur. Da sich aber die Bürger trotz einer immer übermächtiger werdenden Werbeflut nicht genügend an dieser Verschwendungswirtschaft beteiligten, sprangen die Staaten mit der Förderung von immer neuen Großtechnologien in die Bresche.
Doch gemessen an der Alternative, die Zinsen mit Kriegen hoch zu halten, sind diese zivilen Methoden der Kapitalvernichtung noch als human zu bezeichnen, wenngleich es vielmals humaner wäre, unsere Volkswirtschaften aus dieser Zwickmühle zwischen noch mehr Wachstum oder Krieg zu befreien.

Die sogenannte Nachkriegszeit nach 1945 (die allzuoft schon zu einer neuen Vorkriegszeit zu entarten drohte!) war also keine wirkliche Friedenszeit, sondern eine Zeit, in der sich einerseits gigantische Geldvermögen und Realvermögen durch Zins und Zinseszins anhäuften und in der andererseits zur Sicherung der Rentabilität dieser Vermögen ungeheure Mengen davon auf unfriedliche Weise vernichtet werden mussten. 

So kam es nach 1945 zu mehr als 200 Kriegen in aller Welt. Doch auch schon der Krieg gegen die Natur und den Süden und die vielfältigen damit verbundenen sozialen und ökologischen Zerstörungsprozesse lassen daran zweifeln, dass unser Zeitalter der modernen Zivilisation nur im Zeichen menschlicher Vernunft gesehen werden kann. 

Denn Vernunft, Menschenrecht und Fortschritt gehen immer noch einher mit Menschenrechtsverletzungen und Zerstörungen von Leben. Weder in der zivilen Arbeitswelt noch im militärischen Bereich geht es rational – also vernünftig – zu, sondern im geradezu irrationalen Streben nach maximalen Kapitalrenditen wird inzwischen schon die angeblich 'zu teure' menschliche Arbeitskraft aus der Arbeitswelt wegrationalisiert und durch Kapital ersetzt.




Der sich völlig überschlagende Börsenboom und das heutige Bemühen, den Einsatz und die Bedienung des Kapitals durch seine globale Ausweitung sicherzustellen, sind möglicherweise der letzte Versuch, dieses System noch einmal auf friedlichem Wege über die Runden zu bringen. Es sei denn, wir versuchen es auch noch über die Erde hinaus in den Weltraum oder gar auf andere Gestirne auszuweiten. 

Da alle diese Auswege letztlich aber immer an den irdischen Möglichkeiten scheitern müssen, droht uns – wie in dem Fluss-Schema dargestellt – am Ende immer noch jene große zerstörerische Auseinandersetzung zur 'Vernichtung der Überproduktionen', die aufgrund des atomaren Vernichtungspotenzials allzuleicht auch zu einem Ende unserer Zivilisation oder gar des menschlichen Lebens führen könnte.


5. Der Missbrauch der Entwicklungsländer

Im Frühjahr 1995 konnte man in der Nr. 14 der Zeitschrift "Focus" lesen, dass die Kriege unserer Tage nicht so sehr die großen Konflikte zwischen verfeindeten Staaten seien, sondern überwiegend grausame Bürgerkriege, deren Ursachen vor allem ethnische, religiöse und soziale Spannungen wären. "Schauplatz dieser blutigen Kriege sind zu 90 Prozent die Länder der Dritten Welt. Opfer sind vor allem unschuldige Zivilisten – Frauen, Kinder und Alte. Auf einen getöteten Soldaten kommen zehn tote Zivilisten."

Die hier genannte Ursachenreihung wäre allerdings besser umzukehren, denn die ethnischen und religiösen Ursachen treten meist erst dann zu Tage, wenn die sozialen Bedingungen unerträglich werden. Satte und zufriedene Menschen haben wenig Lust zu Revolten und Revolutionen, noch weniger, ihren Besitz oder gar ihr Leben dabei aufs Spiel zu setzen. Schon der Generalsekretär der Uno, Boutros-Ghali, hatte am 6. März 1995 in Kopenhagen darauf hinge- wiesen, dass die Staatengemeinschaft ihren Blick allzusehr auf die Friedensoperationen der UN gerichtet und dabei übersehen habe, dass soziale Entwicklung eine Grundvoraussetzung für Frieden sei. Denn "79 der 82 Konflikte in den vergangenen Jahren hätten soziale Ursachen". Boutros-Ghali rief deshalb zu einem Sozialpakt auf. Auch der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm warnte vor den Folgen sozialer Ungleichheit: "Die Welt wird in einem Chaos von Völkerwanderungen versinken, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich so bleibt, wie sie ist, oder sogar noch größer wird."

Doch all diesen schönen Worten auf inter- nationalen Tagungen steht eine andere Wirklichkeit gegenüber: Die reichen Industrienationen schaffen es noch nicht einmal, jene 0,7 Prozent des Sozialprodukts für die armen Länder abzuzweigen, zu deren Zahlung sie sich schon vor Jahrzehnten verpflichtet haben. Inzwischen sind diese Leistungen – mit abnehmender Tendenz – bei 0,3 Prozent des BSP gelandet. Und was noch schlimmer ist: Ihre Hilfe für die Dritte Welt ist nicht nur von Schulden über- wuchert und mit Auflagen zum Vorteil unserer eigenen Industrien verknüpft, sondern in einer unverantwortlichen Weise mit Rüstungslieferungen. Man braucht sich nur einmal die bei- den Abbildungen in der Darstellung 2 anzusehen, die im Dezember 1990 in der Zeitschrift "Finanzierung und Entwicklung" veröffentlicht wurden, herausgegeben von IWF und Weltbank.

Aus der oberen Abbildung geht hervor, dass die Militärausgaben der Entwicklungsländer von 1960 bis 1987 zweieinhalbmal rascher zugenommen haben als das Sozialprodukt und damit das Einkommen der Bevölkerung. Noch erschrecken- der ist in der zweiten Abbildung die Parallelität der Waffenimportentwicklung mit jener der sogenannten Wirtschaftshilfe: Während die Länder 1960 erst rund 20 Prozent der erhaltenen Hilfsgelder für Waffenimporte ausgaben, waren es in den 80er Jahren etwa 80 Prozent!




Die aus den Abbildungen hervorgehenden absurden Tatbestände wurden am 7.11.92 durch eine dpa-Meldung noch einmal übertroffen: "Die größten Militärmächte der Dritten Welt erhalten nach einer Studie von Weltbank-Experten mehr westliche Entwicklungshilfe als arme Staaten, die kaum Geld in die Rüstung stecken", hieß es in der Meldung, und dann noch konkreter, dass "zehn der 34 Staaten mit den höchsten Verteidigungsausgaben gleichzeitig unter den 20 führenden Empfängerländern für westliche Finanzhilfe" zu finden waren. Das aber heißt nicht nur, dass die Länder bzw. deren oft korrupte Herrscher mit unserer Hilfe zu kriegerischen Auseinandersetzungen befähigt werden, nicht zuletzt zum Waffeneinsatz gegen ihre eigene Bevölkerung, sondern es heißt auch, dass durch diese mißbräuchliche Verwendung der Finanzhilfe die Bürger ärmer und damit anfälliger für gewaltsame Aktionen werden. Dass diese unverantwortlichen Waffenlieferungen und -finanzierungen in erster Linie von reichen und sich christlich nennenden Ländern durchgeführt werden, ist vielleicht der größte Skandal.


6. Rüstungsindustrie als Konjunkturstütze

Etwa ein bis zwei Jahrzehnte waren die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg in den zerstörten Ländern mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Wer heute Bilder oder Filme über die Trümmerstädte sieht, kann sich kaum vorstellen, dass diese Arbeit überhaupt zu schaffen war. 

Etwa die Hälfte des Sozialprodukts dieser Jahrzehnte müsste man in etwa auf das Folgekostenkonto des vorausgegangenen Krieges verbuchen. Angesichts dieser Nachhol- und Aufbauinvestition war das Kapital entsprechend knapp und durchweg hoch verzinst. An Rüstungs- oder gar Kriegsgeschäfte dachte darum damals kaum jemand. Im Gegenteil: Viele Unternehmer hatten nach Kriegsende geschworen, niemals mehr in die Rüstungsproduktion einzusteigen. 

Als Folge dieses allgemeinen Desinteresses dauerte der erste Indisch-Pakistanische-Krieg Ende der 40er Jahre nur acht Tage. Beide Seiten hatten ihre Munition verschossen, die Panzer waren zerstört und niemand in der Welt war anscheinend bereit, ausreichend für Nachschub zu sorgen: Man (bzw. das Kapital!) hatte mit der Behebung der Zerstörungen des großen Krieges noch genug zu tun.

Mit dem Auslaufen des Wiederaufbaus, den ersten Sättigungserscheinungen auf den Konsum- märkten und einer wachsenden Geldvermögensbildung kam der Zins jedoch langsam unter Druck. Schon in den 60er Jahren fiel der Realzins am Kapitalmarkt in der BRD im Durchschnitt auf 4 Prozent zurück.

Wenngleich bereits 1956 der damalige Bundeskanzler Adenauer über die Köpfe des Parlamentes hinweg wieder eine Bundeswehr entstehen ließ, kam das Gros der benötigten Ausrüstung noch weitgehend aus fremden Produktionen. In Deutschland setzte man immer noch auf friedliche Methoden zur Garantie der Kapitalrentabilität. Und das notwendige Wirtschaftswachstum forcierte man durch ständige Exportausweitung und Bedürfnisweckung im Konsumbereich. 

Doch hinter den Kulissen entstand auch bei uns wieder eine Rüstungsindustrie, die sogar nach und nach das Ausland mit ihren 'Qualitätsprodukten' beglückte. So gewann die Bundesrepublik Deutschland in den 70er und 80er Jahren immer mehr den Anschluß an die Siegermächte, die bereits in den 50er Jahren ihre Rüstungsindustrie erneut auf Hochtouren brachten. Selbst der damalige US-Präsident und frühere Weltkriegsgeneral Eisenhower warnte mehrfach öffentlich vor dieser gefährlichen Verselbständigung des militärisch-industriellen Komplexes. Aber das Kapital hatte im wahrsten Wortsinn 'Blut gerochen', zuerst im Koreakrieg und dann an vielen anderen Kriegsschauplätzen in der Welt bis hin zum Krieg in Vietnam, sodass es kein Halten mehr gab.

Wie sich diese Kriege im Laufe des Jahrhunderts auf die Konjunktur in den USA ausgewirkt haben, zeigt die Darstellung 3, die dem Buch des amerikanischen Ökonomen Ravi Batra "Die Rezession von 1990", entnommen ist.





Obwohl man jeden potenziellen Gegner nur einmal töten kann, reichten die Waffenarsenale und Vernichtungskapazitäten bereits in den 80er Jahren aus, um jeden Menschen auf der Erde 15-20mal umzubringen. Der Irrsinn dieses ständig wachsenden Overkills ist mit keiner Logik erklärbar. Denn selbst wenn man sich als Militärstratege das Ziel setzt, alle potenziellen Feinde töten zu können, welchen Sinn kann es haben, die bereits Toten noch ein Dutzendmal umzubringen? Doch dieser Wahnsinn hatte – wie bereits dargelegt – Methode. Er garantierte nicht nur Tausenden von Waffenschmieden und -händlern lukrative und staatlich abgesicherte Gewinne, sondern sorgte vor allem dafür, dass die Zinsen in aller Welt auf einer ausreichenden Höhe blieben, was den Rückzug des Kapitals vom Markt und damit das Zuschnappen der von Keynes so genannten Liquiditätsfalle verhinderte.

Die Kapitalrenditen blieben auf diese Weise zwar lange Zeit gesichert, nicht aber der Wohlstandsanstieg der Menschen. Denn mit den Waffen und Militäranlagen mußten sie Produkte schaffen, von denen sie keinerlei Nutzen hatten. Ja, diese Rüstungsgüter wurden sogar zu einer immer größeren konkreten Bedrohung für ihr Leben. Außerdem wurden sie für diesen Milliarden-Wahnsinn auch noch als Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Mit der Rüstung wird jedoch nicht nur Kapital bedient, sondern auch gebunden, richtiger: vom Markt genommen. Würde man das in die Rüstung, die Raketensilos, Kasernen usw. investierte Kapital im zivilen Sektor einsetzen, dann wäre das dort gegebene Angebot deutlich größer. Ein größeres Angebot an Wohnungen, Konsumgütern usw. aber würde auf die Kapitalrendite einen entsprechenden Druck ausüben. Aufgrund dieses Drucks müßte – wenn das Kapital nicht streiken könnte – der Zins schließlich gegen Null her- untergehen. Da aber das Kapital streiken, das heißt, sich vom Markt zurückziehen kann, sind die Staaten an ständiger Knappheit und ausreichend hohen Zinsen interessiert, notfalls sogar unter Duldung oder Förderung von Kriegen.

Statt das Geld mit geldpolitischen Mitteln zu veranlassen, sich ggfs. auch bei niedrigeren oder ohne Zinsen der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, sorgen die Staaten auf diese Weise also für die geldstreikvermeidende Knappheit von Kapital. Vergleichbar ist das mit der Praxis der EG-Agrarmarktpolitik. Auch hier sorgt man bei allzuguten Ernten durch künstliche Verknappung des Angebotes (sprich Vernichtung) für weiter hochbleibende Preise, um Streiks der Bauern aus dem Weg zu gehen.


7. Kapitalvernichtung in sogenannten Reinigungskrisen

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es für den Vorgang der Kapitalvernichtung den Be- griff "Reinigungskrise zur Beseitigung von Überinvestitionen". Gemeint ist der Zustand, bei dem der Investitionsumfang so groß geworden ist, dass er den Zins unter jene Grenze drückt, bei der es zu Geldzurückhaltungen und damit deflationären Rezessionen kommt. Auch ohne Krieg und ohne Rüstung werden in solchen Rezessionen durch Unternehmens- und Privatbank- rotte, durch Verschleudern oder Verderben von "Überproduktionen" bereits Vermögenswerte aus dem Verkehr gezogen. Mit dieser "Reinigung" – sprich Kapitalvernichtung – wird dann wieder eine ausreichende Knappheit erzeugt, die über höhere Zinsen das Kapital wieder aktiv werden läßt.

Durch ständige Ausweitung marktferner Investitionen – von der Raumfahrt bis zur Rüstung – kann man die Notwendigkeit solcher "Reinigungskrisen" zwar eine Zeitlang hinausschieben, aber kaum auf Dauer. Irgendwann wird eine große "Reinigung" unausweichlich. Und dazu ist ein Krieg nicht nur durch den erhöhten Waffenverbrauch und die angerichteten Schäden unübertreffbar wirkungsvoll. Auch durch die Vernichtung der Geldvermögen, die meist mit dem anschließenden Staatsbankrott verbunden sind, verschwinden riesige Kapitalpolster aus der Welt. 

Die Gewinner solch großer "Reinigungen" sind diejenigen, die rechtzeitig in Sachvermögen umgestiegen sind, möglichst außerhalb der Kriegsgebiete. Noch besser ist natürlich die Anlage in das unzerstörbare Bodenkapital. Den so "Überlebenden" der Kapitalvernichtung wird jedenfalls ein ganz enormer Reichtumsanstieg beschert.

John Maynard Keynes, als Zeuge über alle Zweifel erhaben, hat die Zusammenhänge in etwas komplizierterer Sprache beschrieben: "Jedesmal, wenn wir das heutige Gleichgewicht durch vermehrte Investitionen sichern, verschärfen wir die Schwierigkeit der Sicherung des Gleichgewichtes von morgen." Und als Notausgänge aus diesem Dilemma zählt Keynes auf "das Bauen von Pyramiden und Kathedralen, Erdbeben, selbst Kriege", denn, so schreibt er weiter, "zwei Pyramiden, zwei Steinhaufen für Tote sind doppelt so gut wie einer, aber nicht zwei Eisenbahnen von London nach York." [6]

Mit dieser etwas schwer verständlichen Darlegung bestätigt Keynes, dass ständig vermehrte Investitionen im zivilen Bereich das ‘Gleichgewicht’ gefährden, sinnlose Bauten, Erdbeben und Kriege es dagegen auf Dauer sichern können.

Auch die auf der Seite 29 hervorgehobenen Aussagen unterstreichen dies. Und vielleicht ist es auch angebracht, sich die ”Pyramiden” unserer Tage vor Augen zu führen: Vom "Schnellen Brüter" bis zum Hochtemperaturreaktor, von der halbfertig gebauten WAA in Wackersdorf bis zu dem "Raketenfriedhof", der im Orbit kreist. Von den Milliardengräbern der x-mal verschrotteten und erneuerten Rüstung nicht zu reden. 

Und alle diese Projekte haben nicht nur bei ihrer Entstehung Milliarden neutralisiert. Sie benötigen oft nicht minder große Summen für ihre ordnungsmäßige Beseitigung. Und das letztlich immer nur auf Kosten der arbeitenden Menschen und allein zugunsten des eingesetzten Kapitals. Und wenn alle Stricke reißen, hat man ja immer noch die SDI-Pläne in der Schublade, die – vor dem Hintergrund eines evtl. Crashs oder einer Flaute in den USA – bereits wieder ins Gespräch gebracht worden sind.


8. Die Kriege am Golf

Seit fast 50 Jahren hat es in Europa keinen Krieg mehr gegeben und darauf sind die meisten Politiker bei uns stolz. In Wirklichkeit ist es uns nur gelungen, die "ungeheure Capitalzerstörung" durch Kriege, die zum Erhalt der Kapitalrendite früher nötig war, bislang durch eine ungeheure Naturzerstörung und Überrüstung überflüssig zu machen. 

Doch wenn sich irgendwo in der Welt die Möglichkeit zur kriegerischen Kapitalzerstörung bot, waren Europa und die USA immer dabei, als Lieferant der Todeswaffen ebenso wie hinterher beim kapital- verschlingenden Wiederaufbau. Diese "Stellvertreterkriege" waren außerdem die beste Möglichkeit, neue Waffen in der Praxis vorzuführen und weitere Kunden zu gewinnen.

Wenn man bedenkt, dass "die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates der UNO (Großbritannien, UdSSR, USA, Frankreich, China), die den Weltfrieden sichern sollen, die größten Waffenlieferanten der Entwicklungsländer sind", (terre des hommes, Dez. 1991), braucht man sich über nichts mehr zu wundern.

Die ganze Skala aller "Nachkriegskriege" daraufhin noch einmal durchzugehen, würde zu weit führen. Auch wäre es ein fruchtloses Unterfangen, für einen dieser "Stellvertreter- kriege" – sieht man von den Kapitalprofiten ab – nachträglich einen Sinn zu konstruieren. Hier soll darum nur noch einmal an die beiden Golfkriege erinnert werden, die uns, trotz schnelllebiger Zeit und täglich neuer Kriegsschauplätze, wohl noch gegenwärtig sind.

Der erste, acht Jahre lange Golfkrieg zwischen Irak und Iran war das bisher größte "Nachkriegsgeschäft" für die waffenliefernden Länder. Dabei lagen die westlichen Industrienationen immer an der Spitze. Vor allem verstanden sie es vorzüglich, gleich beide kriegführenden Seiten zu beliefern. Und da es sich bei beiden Ländern aufgrund der reichen Bodenschätze in Form von Öl um zahlungskräftige Kunden handelte, war der Dauer dieses Krieges fast kein Ende gesetzt. Doch aufgrund der großen Zerstörungen in den Ländern und des allgemeinen Leistungsrückgangs kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man wieder aufbauen muß, wenn die Zahlungsfähigkeit erhalten bleiben soll. Außer- dem verspricht sich das Kapital bei einem bestimmten Ausmaß der Zerstörung vom Wiederaufbau noch lukrativere Geschäfte. 

So schrieb "Die Zeit" am 18.10.1987, noch vor Beendigung der Kämpfe: "Eine größere Zahl deutscher und japanischer Finanzvertreter harrt in Teheran aus. Sie setzen auf die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Ende des Krieges. Wirtschaftsschäden von über 300 Milliarden habe der Krieg verursacht. Da winkt, so hoffen die Geschäftsleute, mancher dicke Investitionsauftrag." Doch nicht nur die Lieferung ziviler Ausrüstungen zum Wiederaufbau hilft die Kapitalrendite zu sichern, sondern ebenfalls die dazu gewährten Kredite.

Auch beim zweiten Golfkrieg, bei dem es vordergründig um die Befreiung Kuwaits ging, spielten Geld und Geschäft eine entscheidende Rolle. Denn der Irak war unter Saddam Hussein jahrelang – vor und im ersten Golfkrieg – einer der Spitzenkunden für die westlichen und östlichen Waffenlieferanten. Dass es sich bei Hussein um einen der übelsten Diktatoren handelt, hat dabei keinen Politiker gestört. Sie finanzierten seine Käufe auch gern mit gut verzinsten Krediten im voraus.

Auch das Nachbarland Kuwait, dem iranischen Fundamentalismus wenig zugeneigt, hatte im ersten Golfkrieg Hussein mit respektablen Krediten bei der Bändigung des Irans geholfen. So war es für den überschuldeten Hussein schließlich eine doppelte Versuchung, dieses Land einzukassieren. Einmal wurde er auf diese Weise einen lästigen Gläubiger los, gleichzeitig wurden ihm sprudelnde Ölquellen beschert, mit deren Hilfe er die hohen Schulden in den Industrienationen leichter bedienen oder sogar tilgen konnte.
Was danach kam, ist uns noch allen geläufig. Während sich die gut betuchten Söhne der Kuwaitis in Ägypten und an der Riviera vergnügten, wurde das besetzte Land von den USA und einigen Helfern mit einem ungeheuren Material- aufwand (bei nicht minder großer Behinderung der Berichterstattung) befreit und der Irak in die Knie gezwungen. Allerdings nicht so weit, dass Saddam Hussein abdanken mußte.

Die USA hat dieser Krieg so gut wie nichts gekostet, außer ein 'paar Menschenleben'. Wie ein Söldnerheer kassierte die führende Welt- macht bei allen Bündnisstaaten ab. Natürlich auch bei den reichen Scheichs. Deren von der Zeit längst überholte feudalistische Herrschaftssysteme erhielten noch einmal eine Überlebenschance.

In welcher Größenordnung in dieser Materialschlacht Kapital vernichtet wurde, geht aus einer Stellungnahme des Hilfswerkes "Misereor" hervor. "Golfkrieg auf Kosten der Armen", war der Bericht überschrieben, der bereits am 26.1.1992 durch die Presse ging. Die Vergleichs- zahlen zwischen Kriegskosten und Entwicklungshilfe muten "fast unvorstellbar" an, hieß es darin, und weiter: Mit bis zu einer Milliarde Dollar seien "in der ersten Woche allein auf Seiten der multinationalen Truppen täglich mehr Mittel verbraucht worden, als Misereor in den 32 Jahren seines Bestehens für die Entwicklungs- und Friedensarbeit in der gesamten Dritten Welt einsetzen konnte".

Aber auch beim zweiten Golfkrieg war die große Materialvernichtung und -zerstörung nur die eine Seite der Profitmedaille, der anschließende Wiederaufbau wiederum die zweite. Dank der größten Leistung im Krieg haben sich die USA auch dabei den Löwenanteil gesichert. Aber auch die Helferstaaten meldeten rechtzeitig ihre Ansprüche an, wie der Kasten mit den Auszügen aus dem Berliner "Tagesspiegel" vom 12.2.1991 (siehe S. 31) zeigt.
"Bombenerfolge" im doppelten Wortsinn sind also mit solchen Kriegen für die Lieferanten verbunden. Und es ist gleichermaßen entlarvend wie bezeichnend, dass es bei dem Wiederaufbau-Geschacher sogar schon um Objekte ging, die noch gar nicht zerstört waren!

Geht man diesen Zusammenhängen weiter nach, dann kommt noch mehr ans Tageslicht. So berichtet die schweizerische Zeitschrift "Der Zeit.Punkt" von einem geheimgehaltenen Regierungsbericht, nach dem die britischen Steuerzahler für Waffenlieferungen im Wert von rund 500 Mio. Schweizer Franken geradestehen mussten, mit denen hinterher die eigenen Truppen beschossen wurden. Die Rechnung ging dem Bericht zufolge zurück auf eine Exportgarantie, die die britische Regierung Firmen gewährt hat, die in den Irak ausführten, hieß es in dem Bericht. Und weiter: "Unter dem Strich müssen die Briten also zweimal bezahlen. Einmal für die irakischen Waffen und einmal für die eigenen, die irakischen zu zerstören. Der Kreislauf ähnelt in gewisser Hinsicht demjenigen, der vor allem die EG-Länder zwingt, Lebensmittel zu vernichten, deren Produktion subventioniert wurde."

In welchem Umfang auch heute noch der Westen – trotz Überwindung des Kalten Krieges bzw. Niedergang des Ostblocks – in Rüstung und Rüstungsexporten investiert, zeigen die Zahlen in der Darstellung [4].





Die hier mit 600 Mrd. Dollar von SIPRI angeführten Gesamtausgaben für Rüstung (die von anderen Instituten mit 700 oder sogar 800 Mrd. Dollar angesetzt werden) sind zwar seit 1990 um rund ein Drittel zurückgegangen, auch in Deutschland. Erschreckend aber ist, dass sich das Gros dieser Ausgaben bei den sieben westlichen Industrienationen bzw. der Nato konzentriert und davon wieder mehr als die Hälfte bei den USA. Noch größer ist diese Konzentration bei den Rüstungsexporten, wie aus der Tabelle hervorgeht, obwohl "... das rentabel-blutige Geschäft mit dem internationalen Waffenhandel ... von 88 auf 46 Milliarden US-Dollar" zurückging, wie der Friedensforscher Professor Dieter S. Lutz am 28. September 1999 in der Berliner Zeitung zitiert wird. "Dies geht jedoch vor allem auf eine drastische Senkung der Militärhaushalte Russlands bzw. der früheren Sowjetunion zurück ... Die größten Waffenexporteure sind nicht etwa Russland, China oder gar die sogenannten ‘Schurkenstaaten’, wie dies gemeinhin angenommen wird".

Aber auch die deutschen Ausgaben für den Sektor Rüstung liegen, trotz des überwundenen Kalten Krieges, immer noch bei zehn Prozent des Bundeshaushalts und sind damit rund drei- mal so hoch wie die Ausgaben für Bildung und Forschung, viermal so hoch wie die für Familie und Jugend und mehr als zehnmal so hoch wie das, was wir für die Entwicklungsländer übrig haben.


9. Die Balkankriege der 90er Jahre

Erinnern wir uns: In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nahmen in allen früheren Ostblockstaaten die wirtschaftlichen und in der Folge auch die gesellschaftlichen Schwierigkeiten rapide zu. Ursache war letztlich das wenig effektive Wirtschaftssystem dieser Länder, die sich zur Hebung des Lebensstandards ihrer Bürger schließlich immer mehr im Westen verschulden mussten. Auslandsschulden aber, die rascher zunehmen als die eigene Wirtschaftsleistung und die daraus möglichen Exporte, führen irgendwann zur Zahlungsunfähigkeit und damit zur Gefährdung der politischen Stabilität.

Obwohl Jugoslawien sich bereits sehr früh von der Bindung an den Ostblock gelöst und in wirtschaftlicher Hinsicht mehr nach Westen orientiert hatte, ging es diesem Land in Bezug auf die Verschuldungsentwicklung nicht viel anders als den übrigen Ostblockstaaten. Mitte der 80er Jahre, also schon zu Titos Zeiten, war die Westverschuldung des Landes bereits so hoch, dass jeder Jugoslawe rechnerisch fast einen Tag in der Woche für die Bedienung der Verschuldung arbeiten musste. Dieser Zustand hätte im Grunde durch radikale Einsparmaßnahmen innerhalb des Landes ausgeglichen werden müssen, also letztlich durch Steuererhöhungen, Reduzierungen öffentlicher Leistungen oder Absenkungen der Löhne. 

Da es jedoch in Jugoslawien – ähnlich wie in Polen – massive Widerstände der Arbeiterschaft gegen solche Maßnahmen gab, blieb dem Staat, wenn die Auslandsschulden nicht noch mehr anwachsen sollten, nur der Weg über die verdeckte Enteignung der Bevölkerung, nämlich über eine inflationäre Verwässerung der Währung.

Während dieser Rückgriff auf die Notenpresse in der Mehrzahl der Ostblockstaaten aufgrund der Preisfestschreibungen jedoch nur zu vorerst verdeckten Inflationen führte, schlug er in Jugoslawien von Anfang an als Verteuerung der Lebenshaltungskosten durch. 

Dieser zunehmende Kaufkraftverlust des Dinar hatte jedoch kritische Folgen: Die Jugoslawen, durch vielfältige Kontakte über Gastarbeiter und Touristen mit dem D-Mark-Raum verbunden, stiegen zur Umgehung der Inflation bei ihren Ersparnisbildungen immer mehr in die deutsche Währung um, und zwar überwiegend durch die Ansammlung von Bargeld. Diese Ersparnisbildung in deutscher Mark wiederum führte einmal zu einem Mangel an Devisen und damit zu noch höheren Kreditaufnahmen im Westen, zum anderen musste man aufgrund der verringerten Ersparnisse in Dinar den Kreditbedarf der eigenen Wirtschaft mit zusätzlichen Geldmengenvermehrungen decken, was die Inflation noch mehr in die Höhe schießen ließ und mit ihr die Firmenpleiten, Streiks und Arbeitslosenzahlen.

Als Folge der schließlich trabenden und galoppierenden Inflation ließ außerdem das Interesse der Bürger nach, überhaupt noch für ihre eigene Währung zu arbeiten. Noch stärker als in der ehemaligen DDR, wo die DM vor allem zu einer 'Feierabendwährung' geworden war, übernahm sie in Jugoslawien auch im normalen Wirtschafts- geschehen eine immer größere Rolle. 

Der jugoslawische Staat musste also auf seinem eigenen Gebiet zunehmend mit einem Geld leben, auf dessen Steuerung er keinen Einfluss hatte, während die eigene Währung immer mehr zerfiel und die Preise schließlich explodierten. All diese Probleme, die in den übrigen Ostblockländern erst mit dem Durchbruch der aufgestauten Inflationen um 1990 zu Tage traten, haben die Jugoslawen bereits in den 80er Jahren verkraften müssen.


10. Die Auswirkungen der Währungszerrüttung

"Wer eine Gesellschaft zerstören will, muss ihre Währung ruinieren", soll Lenin – bezogen auf die bürgerlichen Gesellschaften – einmal gesagt haben. Dass dieser Satz jedoch auch für die sozialistischen Länder gilt, hat die Geschichte der letzten 20 Jahre zur Genüge bewiesen. Bricht aber eine Währung zusammen, ob plötzlich oder schleichend, brechen mit den sozialen Spannungen auch die alten ethnischen, kulturellen, religions- und sprachbedingten Spannungen wieder auf, ganz besonders in einem Vielvölkerstaat wie jenem auf dem Balkan. Hin- zu kommt noch das dann deutlicher werdende Reichtumsgefälle von Nord nach Süd, das umso größer wurde, wie die wirtschaftliche und politische Fähigkeit des Staates abnahm, diese Diskrepanzen auszugleichen.

Die aus solchen Umständen resultierenden Entwicklungen hat der deutsch-argentinische Sozial- und Geldreformer Silvio Gesell bereits in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts treffend formuliert: "Die Währung hält den Staat zusammen oder sie sprengt ihn – je nachdem. Wird hier gepfuscht, so löst es sich in kleine Teile auf, in Atome, die sich gegenseitig abstoßen: Stadt gegen Land, Beruf gegen Beruf, Volksstamm gegen Volksstamm, Norden gegen Süden, Festbesoldete gegen Lohnarbeiter, bis schließlich Arbeiterbataillone gegen Arbeiterbataillone marschieren. Der Krieg ist kein bio- logisches Element, sondern ein eheliches Kind der sozialen Zustände. Diese Mörderhöhle haben alle Völker sich in ihren wirtschaftlichen Einrichtungen selbst geschaffen" [7]

In welchem Ausmaß sich solche Spannungen zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen aufbauen können und aufgebaut haben, konnten wir nicht erst im Kosovo, sondern schon seit Anfang der 90er Jahre in dem zerbrechenden Vielvölkerstaat auf dem Balkan Schritt für Schritt verfolgen. Zuerst versuchten sich die wohlhabenderen nördlichen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien von Rest des Staates abzukoppeln. Das wiederum motivierte die von Serben beherrschte Zentralregierung zu dem Versuch, diese Abspaltungen gewaltsam zu verhindern bzw. die abtrünnigen Gebiete wieder unter ihre Gewalt zu bringen.

Bei diesem Versuch der Rückeroberung ging es nicht nur um den relativen Reichtum dieser nördlichen Gebiete und deren industrielle Einrichtungen, sondern nebenbei auch noch um die DM-Devisen, die sich gerade bei den Bürgern dieser grenznahen Landesteile angesammelt hatten. Da sich aber die Menschen in den Teilrepubliken längst ethnisch durchmischt hatten, kam es im Zuge dieser Separationsbewegungen zu Vertreibungen und Verfolgungen in beiden Richtungen mit zunehmender Gewaltanwendung. 

Dies führte damals schon zu einem ersten Eingreifen ausländischer Militäreinheiten, das jedoch – im Gegensatz zu den Ereignissen im Kosovo – damals noch durch einen UN-Beschluss gedeckt und vor allem mit keinen Luftangriffen verbunden war.

Noch dramatischer als in Bosnien und anderswo ging es im weit abgelegenen und fast schon isolierten Landesteil der Kosovaren zu. Als dort die Spannungen zwischen der islamisch-albanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit zu gegenseitigen Vertreibungen und Massakrierungen führten, versuchte die Zentralregierung in Belgrad ihrerseits die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kosovaren mit brachialer Gewalt zu unterdrücken und vor allem die serbische Minderheit zu schützen und zu stärken. 

Diese Gewaltmaßnahmen eskalierten dann noch durch das Auftreten der aus serbischer Sicht illegalen UCK. In welchem Maße sich diese Eskalation der Gewalt zur Zeit des Eingreifens der Nato zu einer ethischen 'Säuberung' und Massenvertreibung entwickelt hatte, dürfte allen noch genügend in Erinnerung sein. Ebenso, dass dieser von der UN nicht sanktionierte Eingriff sowohl gegen die Statuten des Völkerrechts verstieß als auch gegen jene der Nato selbst.


11. Die Hintergründe der westlichen Einmischung

Zweifellos boten die Vorgänge in Jugoslawien, vor allem auch die im Kosovo, genügend Anlass verhindernd einzugreifen. Warum dies aber ohne einen legitimierenden UN-Beschluss erfolgte und mit solch einer radikalen Zerstörung der Infrastruktur in ganz Serbien, ist nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Vor allem ist es unverständlich, warum man nicht auf andere Art und Weise schon lange vorher versucht hat, die Reaktionen Belgrads zu beeinflussen. 

So hätte beispielsweise ein rechtzeitig durchgesetztes konsequentes Embargo von Rüstungsgütern und Mineralöl-Lieferungen genauso wirksam sein können, wie die nachherige Zerbombung der entsprechenden Anlagen. Das gleiche gilt für eine finanzielle Unterstützung der Opposition in Jugoslawien, die in Belgrad schon Anfang der 90er Jahre möglich und notwendig gewesen wäre. Ausser- dem wären diese Maßnahmen, auch wenn man die angrenzenden Länder für ihre wirtschaftlichen Verluste entschädigt hätte, vielmals billiger gewesen als die Zerstörungen mit Waffengewalt, von den Kosten des Wiederaufbaus gar nicht zu reden.

Dass die der Gewalt vorausgegangenen wirtschaftlichen und sozialen Zerrüttungen Jugoslawiens entscheidend mit der schuldenbedingten Verarmung des Landes und der Inflation zusammenhingen, wurde bereits dargelegt. Diese Verschuldungen haben jedoch nicht nur die westlichen Kapitalgebergruppen reicher gemacht, sondern auch diejenigen, die von den bis ins Ende der 90er Jahren reichenden Rüstungslieferungen auf den Balkan profitiert haben. Warum hat man uns über Jahre hinweg im Fernsehen immer nur die Kisten und Transporte der Hilfslieferungen in die von den Kämpfen und Zerstörungen betroffenen Länder gezeigt, nie aber die der Rüstungsgüter, die – nicht anders als am Golf – in vielen Fällen sogar an beide Seiten gingen? Hat man im Westen dem gewaltsamen Weg vielleicht deshalb den Vorzug gegeben, weil der Einsatz und Verschleiß der Waffen, die Zerstörungen und der Wiederaufbau wirtschaftlich interessanter waren als alle anderen Alternativen?

Wenn man sich noch einmal an den Bericht des "Berliner Tagesspiegel" über die "Bomben- erfolge für die britische Industrie" und die Auseinandersetzungen über den Wiederaufbau Kuwaits erinnert, erhalten jedenfalls manche Vorgänge in Jugoslawien einen anderen Hintergrund. Das gilt auch für solche Details wie die 'irrtümliche' Bombardierung der chinesischen Botschaft, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als sich mit Hilfe Russlands ein erster Waffenstillstand anzubahnen schien. Ebenso fragwürdig ist, dass man noch während der Kämpfe die Anklage Milosevics vor dem Tribunal in Den Haag verkündete, was zweifellos den Widerstand des Belgrader Regimes verstärkte und den Waffen- stillstand verzögerte.

Auch die von den ersten Bombenangriffen an veröffentlichten und ständig wiederholten Beteuerungen, dass man nur Sachanlagen zerstören und diese hinterher wieder aufbauen würde, waren bezeichnend. Obwohl die Leere der öffentlichen Kassen der Natoländer überall beklagt wird, war schon von einem "Marschallplan II" die Rede, an den die westdeutschen Unternehmen schon eine angemessene Beteiligung anmahnten. Selbst der deutsche Finanzminister Hans Eichel versuchte – wie der SPIEGEL in der Ausgabe 19/ 1999 berichtete – während der Nato-Bombardierungen die Öffentlichkeit zu beruhigen: "Ich weise darauf hin, dass von der Hilfe für die Menschen im Kosovo letzten Endes ganz Europa profitieren wird, denn der Wiederaufbau ist auch ein Beschäftigungsprogramm."

Bedenkt man, dass allein die Schäden durch die Luftangriffe auf 120 Mrd Dollar geschätzt werden und die gesamten Zerstörungen in allen Teilen des Vielvölkerstaates auf bis zu 400 Mrd. Dollar, dann stellen die zu erwartenden Wieder- aufbau-Aufträge tatsächlich eine interessante Größe dar. Eine Größe, hinter der das Schicksal der Vertriebenen und Ermordeten oder die Umweltzerstörungen und -vergiftungen durch die Angriffe der Nato fast in Vergessenheit geraten. Die Frage bleibt allerdings, wie dieses arme Land, dessen Sozialprodukt inzwischen auf 20 Mrd. Dollar gesunken ist, diesen Wiederaufbau finanzieren soll.


12. Hindernisse für Abrüstung und Konversion

Durch den Einsatz vergleichsweise bescheidener Dollar-Milliardenbeträge, zum Beispiel zur Finanzierung wirksamer Embargo-Maßnahmen oder humanitärer und politischer Hilfsprogramme, hätte man möglicherweise in Jugoslawien und auch anderswo manche Eskalation der Gewalt vermeiden können. 

Würden solche Maß- nahmen noch von einem konsequenten Exportverbot aller Rüstungsgüter aus den Industrienationen begleitet, würden die heutigen Eskalationen von Gewalt in vielen Fällen zumindest eingegrenzt. Noch positiver und wirkungsvoller wäre es, die armen Länder vor überhöhten Verschuldungen zu schützen bzw. diese – oder zumindest die Zinszahlungen – in bestimmten Fällen zu erlassen. Schon mit wenigen Milliarden Dollar wären auf diese Weise der soziale Niedergang in Jugoslawien und damit alle daraus resultierenden Folgen zu vermeiden gewesen.

Noch wirkungsvoller wäre ein allgemeines Verbot jeglicher Rüstungsproduktion in aller Welt, dessen Übertretung grundsätzlich genauso geahndet wird wie ansonsten Beihilfe zum Mord bzw. Massenmord.

Doch so lange die bisherigen Strukturen unserer Weltwirtschaft unverändert bleiben, sind alle Chancen für eine solche Vermeidung problematischer Entwicklungen ebenso eingeschränkt wie der Abbau oder die Konversion der Rüstungsproduktionen. Das gilt vor allem für den Tatbestand, dass der globale Kapitalismus nicht nur auf eine ständige Ausweitung des wirtschaftlichen Wachstums angewiesen ist, sondern – weil das nicht ausreicht um ihn dauerhaft zu stabilisieren – zu zwischenzeitlichen, möglichst kostspieligen Zerstörungen, die über Rüstung und Kriege am wirkungsvollsten umzusetzen sind.

Weil das so ist, sind auch die Ergebnisse aller bisherigen Abrüstungsverhandlungen nichts als Augenwischerei. Man entledigt sich im Ergebnis dabei meist eines Teils der zum Ballast gewordenen Überrüstung bei weiter laufender Neuproduktion und Modernisierung. Und diese beschleunigte Verschrottung, die wieder Milliarden verschlingt, ist – ähnlich wie die Produktion – ein Mordsgeschäft für die beteiligten Unter- nehmen. So wurden allein in der Bundesrepublik Deutschland in den 90er Jahren rund 10.000 konventionelle Waffensysteme zerstört, überwiegend – soweit sie nicht auf den Gebrauchtwaffenmärkten abgesetzt werden konnten – aus Beständen der Nationalen Volksarmee. 

Insgesamt kostete uns diese Aktion 190 Millionen Mark. In ganz Europa will man insgesamt viermal soviel in Rüstungsgütern eingefrorenes Kapital endgültig aus der Welt schaffen. Und dieser ganze Irrsinn wird sich kaum überwinden lassen, solange wir diese Rüstungsproduktion und deren friedliche oder kriegerische Vernichtung als Garanten unserer Wirtschaftswachstums ebenso benötigen wie zur Vermeidung fallender Zinsen.

Das gilt selbst für die zwischen den USA und Russland abgesprochene Verringerung der strategischen Atomwaffen auf ein Drittel des früheren Potenzials. Denn auch nach dieser geplanten Reduzierung wird es immer noch 6.000 dieser Waffen geben, immer noch genug, um die Erde vielmals zu zerstören.

Aus all diesen Gründen ist auch der Ruf nach einer Rüstungskonversion – also der Umstellung der Rüstungsbetriebe auf zivile Produktionen – keine Frage des Wünschens oder Wollens. Sie scheitert ganz einfach daran, dass eine solche Umstellung das Angebot auf den zivilen Märkten vergrößern würde, auf denen bereits heute eine weitgehende Überversorgung besteht. Diese Überversorgung, die den Zins in der zweiten Hälfte der 90er Jahre bereits weltweit auf ein kritisches Niveau sinken ließ, war und ist ja einer der Gründe, warum das Kapital in Be- reiche drängte, die – wie die Rüstung – nicht renditedrückend sind.

So wie die soziale und die ökologische Frage ist also auch das Problem der Rüstung und des Friedens solange nicht zu lösen, wie die Fehlstrukturen unserer Geldordnung unangetastet bleiben.


13. Vom 11. September bis nach Afghanistan und dem Irak

Der 11. September hat die Welt verändert, nichts ist mehr so wie es vorher war! – Solche und ähnliche Aussagen konnte man nach den brutalen Terroraktionen auf das Welthandelszentrum und das Pentagon fast täglich hören. In Wirklichkeit aber haben diese Ereignisse nur die Welt für die US-Amerikaner verändert, die innerhalb ihrer eigenen Grenzen seit mehr als hundert Jahren nicht mehr mit Zerstörungen konfrontiert waren. In der übrigen Welt dagegen waren und sind solche gewaltsamen Einwirkungen – mit oder ohne Kriegserklärungen – an der Tagesordnung, in leider allzu vielen Fällen sogar mit tatkräftiger Hilfe der USA.

Zweifellos war der Einsturz der Welthandelstürme – über Satelliten-TV von der ganzen Welt live miterlebt – ein besonders dramatisches und tragisches Ereignis. Mit einer solchen Totalzerstörung der Gebäude hatten wohl nicht einmal die Attentäter gerechnet und leider auch nicht die Verantwortlichen in New York. Sonst hätten sie nicht Hunderte von Feuerwehrleuten mit schwerstem Gepäck 80 Stockwerke hoch in den sicheren Tod geschickt. 

Diese Entscheidung hat durch die Behinderung der aus dem Gebäude Flüchtenden zusätzliche Opfer gekostet! Doch all das menschliche Leid, das mit diesem brutalen Terrorangriff verbunden war, rechtfertigt in keinem Fall jene Hysterie, die danach auf der politischen Ebene entwickelt wurde. Das gilt für Bezeichnungen wie "Kriegserklärung" und "Kreuzzug" ebenso wie für die Konstruktion einer "Achse des Bösen", mit der die Bush- Administration – statt den wirklichen Ursachen des Terrors auf den Grund zu gehen – gleich eine ganze Reihe von "Schurkenstaaten" als Sündenböcke präsentierte und zu Zielen zukünftiger Kriege erklärte.

Noch weniger rechtfertigte der Terrorakt die anschließende Bombardierung eines praktisch wehrlosen Landes wie Afghanistan, selbst wenn sich dort tatsächlich die vermuteten Drahtzieher bzw. Ausbildungscamps der Terroristen befunden haben sollten. Jahrzehnte lang war Afghanistan als Spielball der Großmächte und ihrer Interessen behandelt worden und dessen Infrastruktur war von den Sowjets und machthungrigen einheimischen Warlords bereits weitgehend zerstört. Daran waren übrigens auch die USA nicht unbeteiligt; sie haben ehedem sogar jenen Bin Laden und die Taliban unterstützt, die sie dann nach dem 11. September 2001 als ihre Erzfeinde ausmachten. 

Den die wochenlangen Bombardierungen begleitenden Versuch der USA, die Afghanen mit dem Abwurf von Verpflegungspäckchen zu versöhnen, kann man nur als peinlich bezeichnen. Selbst bei einer Handverteilung der 300.000 Päckchen wäre gerade einmal jede/r hundertste Bewohner/in des Lan- des erreicht worden. Vor allem aber bestand jetzt die große Gefahr, dass hungernde Päckchensucher in die noch massenhaft vorhandenen Minenfelder gerieten. Allein die Beseitigung dieser heimtückischen Landminen kostet schätzungsweise 500 Millionen Dollar.

Dass die USA, wie bereits auf dem Balkan, auch noch andere Länder in ihren blinden Rachefeldzug hineingezogen haben, ist ebenso problematisch wie der Tatbestand, dass andere Staaten wie z.B. Russland in Tschetschenien ihre brutalen Übergriffe gegen die Bevölkerung als "Terrorismusbekämpfung" aufwerteten. Dass Deutschland nach seiner voreiligen Bekräftigung "uneingeschränkter Solidarität" in Afghanistan nicht abseits stehen konnte, war fast schon selbstverständlich. Trotz einer angeblich alle Bewegungen auf der Erde erfassenden Satellitenaufklärung und eines weltweit operierenden Geheimdienstes konnte das Ziel des ganzen militärischen Einsatzes in Afghanistan, nämlich die Ausschaltung des Al Kaida-Netzwerks und die Gefangennahme von Bin Laden, nicht erreicht werden. Es handelte sich also bei dem US-Einsatz in Afghanistan um einen Kampf gegen den Terrorismus mit untauglichen Mitteln, dem aber, wie bei allen Kriegen, Tausende un- schuldiger Menschen zum Opfer fielen.

Mangels wirklicher Erfolge haben sich die USA relativ schnell wieder aus Afghanistan verabschiedet und die restlichen Aufräumungs- und Ordnungsarbeiten ihren Verbündeten überlassen. Und während nach dieser letztlich erfolglos und blamabel verlaufenden Aktion inzwischen von Bin Laden und den Taliban kaum noch die Rede ist, hat sich der US-Präsident umso lauter auf einen neuen Feind gestürzt, der seinem Vater bereits einmal für einen Krieg willkommen war. 

Dabei wurde verdrängt, dass der irakische Diktator Saddam Hussein in den beiden vorangegangenen Golfkriegen als Kriegsherr mit Rüstungsgütern nicht nur aus Russland und Europa, sondern auch aus Amerika unterstützt wurde. Wie in früheren Fällen setzten sich die USA auch im jüngsten Irak-Krieg souverän über das Völkerrecht und über Beschlüsse der UNO hinweg und konsultierten selbst die NATO-Partner nur in dem Umfang, in dem sie für Überflugrechte und andere Eingriffe gebraucht wurden. 

Ignoriert wurde von den USA auch der Beschluss der UN, eventuelle Maßnahmen gegen den Irak von den Ergebnissen der UN-Inspektoren bei ihrer Suche nach biologischen, chemischen oder gar atomaren Massenvernichtungsmitteln abhängig zu machen. Unabhängig davon ging der Aufmarsch amerikanischer und britischer Truppen in der Golfregion weiter. Sogar der präventive Einsatz von Atomwaffen wurde nicht mehr ausgeschlossen, und das bei einem völker- rechtswidrigen Angriffskrieg! Begleitet wurde das Ganze von einer Propagandawelle, die bei Kriegsbeginn im März 2003 bereits 84 Prozent der amerikanischen Bevölkerung das Gefühl vermittelt hatte, vom Irak tatsächlich bedroht zu sein.

Dass nicht nur machtpolitische Gesichtspunkte den Ausschlag für solche kriegerischen Maß- nahmen gaben, sondern auch handfeste geo- strategische und wirtschaftliche Interessen, wird klar, wenn man an die gewaltigen Erdölvorkommen im Irak denkt. Es wurde sogar schon vermutet, US-Präsident Bush habe bei den amerikanischen Ölkonzernen Wahlkampfschulden zu begleichen. Diese Auffassung wurde durch einen Bericht der britischen Zeitung "The Ob- server" vom 3. November 2002 bestärkt, wonach der im Londoner Exil aktive "Irakische National-Kongress" bereits mit drei US-Ölkonzernen über die Verteilung der riesigen Ölreserven in einer Post-Saddam-Aera verhandelt habe. Bedenkt man, dass der Irak erst in den letzten Jahren Lieferverträge mit Russland, Frankreich und China abgeschlossen hat, wird der Umfang möglicher internationaler Konflikte deutlich. 

Und da der britische Ölkonzern BP – ebenfalls nach der Meldung des "Observer" – bis dahin bei der Verteilung des Ölkuchens noch nicht beteiligt war, werden auch die fast schon peinlichen Anbiederungen des britischen Premiers an die US-Administration verständlich, sein Land unbedingt an diesem Krieg zu beteiligen. Ähnlich wie bei dem Wiederaufbau-Geschacher in Kuwait 1991 geht es auch im jüngsten Irak- Krieg wieder um die Aufteilung wirtschaftlicher Ressourcen, über die die Sieger nach einem militärischen Überfall verfügen können. Während die Ölförderanlagen sofort nach ihrer Eroberung unter militärischen Schutz gestellt wur- den, sahen die amerikanischen und britischen Militärs der Plünderung von Krankenhäusern und jahrtausendealten Kulturschätzen tatenlos zu.

Befürworter des Irak-Kriegs glaubten Bush, es sei ihm tatsächlich um eine politische Beruhigung und Demokratisierung im Mittleren Osten gegangen. Dabei dürfte eher das Gegenteil ein- treten: Der Krieg gegen den Irak könnte dazu führen, dass sich die arabischen Staaten gegen Amerika solidarisieren. Der arabische Raum könnte zu einem Nährboden für weiteren Terrorismus werden, was dem eigentlichen Kriegsziel entgegenliefe. Und das alles noch vor dem Hintergrund eines Pulverfasses in Israel und Palästina!

Neben diesen direkt auf das Öl bezogenen Interessen spielt beim Kriegsgeschehen in der Goldregion und anderen Teilen der Welt auch die allgemeine Lage der Weltwirtschaft eine Rolle. Wieder einmal geht von der Sättigung und Übersättigung der Märkte in den reichen Industrieländern ein sich verstärkender Zwang zur zerstörerischen Marktbereinigung aus. Vor allem nach dem Debakel der New Economy könnte ein staatlicher Investitionsschub in den milliardenschweren Bereichen der Rüstungsgüterproduktion und des Wiederaufbaus zerbombter Gebäude und Infrastrukturen ein neues Durchstarten des Wachstumsmotors erleichtern. 

Sieht man sich die bereits getätigten Rüstungsausweitungen in den USA an, vor allem den historisch größten erteilten Rüstungsauftrag über mehr als 200 Milliarden Dollar für die geplanten 3000 neuen Kampfflugzeuge, dann werden die Möglichkeiten einer solchen rentablen "Wirtschaftsbelebung" nachvollziehbar.
Rüstung und Kriege waren immer schon ein letztes Mittel, die zinsmindernde Bildung von weiterem Kapital durch kriegerische Zerstörungen zu unterbrechen und auf diese menschen- und naturfeindliche Weise den Kapitalismus über die Runden zu retten.

14. Zusammenfassung – Durch Gerechtigkeit zum Frieden

Angesichts der bislang ungelösten Strukturprobleme des globalen Kapitalismus ist zu be- fürchten, dass die fortschreitende Polarisierung von Reichtum und Armut und damit die zunehmende Verschuldung in aller Welt weiterhin Zündstoff für soziale Konflikte bleiben wird. Schulden und Inflationen dürften vor allem die Volkswirtschaften des Südens weiterhin ruinieren und Flüchtlingsströme auslösen, die wir erst dann registrieren, wenn sie unsere eigenen Grenzen erreichen. Außerdem treibt der geld- und zinsbedingte Zwang zum Wirtschaftswachstum die Industrienationen weiter in den Teufels- kreis der "schöpferischen Zerstörung" (Schumpeter), zu dem Rüstung und Waffenexporte und – was noch schlimmer weil wirkungsvoller – auch der Einsatz derselben gehören.

Zu den sozialen Konflikten unseres kapitalistisch verfälschten marktwirtschaftlichen Systems, bedingt durch die weiter wachsenden Polarisierungen zwischen Reich und Arm, dürften in zunehmendem Maße ökologische Konflikte kommen, vor allem um die knapper werdenden Vorräte an Trinkwasser, Erdöl und anderen Ressourcen. Dabei ist zu befürchten, dass dieses explosive Gemisch aus sozialen und ökologischen Konflikten auch weiterhin an wechselnden Orten der Welt militärisch explodiert, wie bereits in der Vergangenheit am Golf oder in Ländern wie Armenien, Tschetschenien und anderswo. 

Umso dringender wird der weitere Aufbau von zivilen Friedensdiensten zur Vorbeugung weiterer 'humanitärer Katastrophen' und darüber hinaus ein Nachdenken über grundlegende Auswege aus dem Teufelskreis der Gewalt in eine gerechtere und friedlichere Welt, die eine Welt ohne Rüstung und Krieg sein könnte. Ziel eines solchen Nachdenkens sollte es sein zu klären,

1. wie allen Menschen ein gleichberechtigter und naturverträglicher Zutritt zum Boden und seinen Schätzen verschafft werden kann, und
2. wie das Geld so umgestaltet werden kann, dass es für alle Menschen ein produktions-, wachstums- und verteilungsneutrales, also ein gerechtes Tauschmittel wird.

Kein geringerer als der britische Ökonom John Maynard Keynes hat in seinem Hauptwerk "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" nicht nur die drei entscheiden- den Problemfelder unserer Tage im Buchtitel zusammengefasst. Er hat darüber hinaus gleich mehrfach dargelegt, dass eine Korrektur der Geldordnung soziale Gegensätze entschärfen und damit den Frieden in der Welt fördern würde. So schrieb er zum Beispiel, dass es möglich sein müsste, "innerhalb einer Generation die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals im Gleichgewicht auf ungefähr Null herunterzubringen." Und das damit einhergehende Sinken des Zinsniveaus gegen Null würde – so meint Keynes weiter – "der vernünftigste Weg sein, um allmählich die verschiedenen anstößigen Formen des Kapitalismus loszuwerden." (S.185) 

Keynes sprach in diesem Zusammenhang von einem großen "Gezeitenwechsel": die bisherige kapitalistische Marktwirtschaft mit all ihrer Ungerechtigkeit und Friedlosigkeit würde dann in eine "Marktwirtschaft ohne Kapitalismus" über- gehen, in der sowohl auf nationalstaatlicher als auch auf internationaler Ebene der Umgang des Menschen mit dem Boden und mit dem Geld neu geregelt wird.

• Der Boden, die Ressourcen und die Atmosphäre werden als Gemeingüter behandelt, deren private Nutzung gegen Gebühren möglich ist, die wiederum an alle Menschen gleichermaßen zurückfließen.

• Das Geld wandelt sich von einem zerstörerischen Beherrscher der Märkte zu ihrem Diener. Es wird nicht mehr durch den Antrieb von Zinsen und Zinseszinsen in Bewegung gehalten, auch nicht durch Währungen zerstörende Inflationen, sondern durch "künstliche Durchhaltekosten" (Keynes), die seine besondere Machtposition auf den Märkten neutralisieren.

Die Entscheidungen über Investition und Produktion würden sich dann nicht mehr nach irrationalen Rentabilitätskriterien richten, sondern allein nach rationalen eines wirtschaftlichen Einsatzes von menschlichen und natürlichen Ressourcen. Bei einem Absinken des Zinssatzes auf einen Gleichgewichtssatz in der Nähe von Null gehen die zinsbedingten Einkommensumschichtungen von der Arbeit zum Besitz, also von Arm zu Reich, zurück. Damit verringert sich die Ungerechtigkeit unseres heutigen monetären Systems, die immer mehr zur Hauptursache der sozialen und politischen Spannungen wird.

Mit den sinkenden Zinsen geht aber auch die übermäßige Zunahme der Geldvermögen und damit der Investitions-, Verschuldungs- und Wachstumszwang zurück. Damit wiederum die Notwendigkeit jener "Überproduktions- und Reinigungskrisen", mit denen heute – ob in Rezessionen, Crashs oder Kriegen – die zinsdrückenden Sachkapitalanhäufungen periodisch reduziert werden müssen, vor allem um dem weiter wuchernden Geldvermögen renditesichernd Platz zu machen. Als Folge davon bauen sich auch die Ursachen ab, die die Staaten heute dazu zwingen, das Spiel der Überrüstung mitzumachen oder gar bewusst zu betreiben, inzwischen sogar schon, um sich gegen die zunehmenden Flüchtlingsströme abzusichern. Kurz: Der Systemzwang zur zivilen und militärischen Kapitalvernichtung käme zum Erliegen.

Alles, wofür sich heute die Menschen in der Friedensbewegung engagieren (Friedenspädagogik, Abrüstung, Konversion und zivile Friedensdienste), ist notwendig und sinnvoll. Darüber hinaus ist es aber unverzichtbar, sich auch mit den wirtschaftlichen Triebkräften von Rüstung und Krieg zu befassen, die in einem entscheidenden Maße in der bislang geltenden Geld- und Bodenordnung angelegt sind. Denn nur wenn es uns gelingt, diese Triebkräfte zu über- winden, öffnet sich der Weg zu einer gewalt- losen und friedlicheren Welt.

Anmerkungen:

[1] Präsident der Hifa-Austria, "Die Zukunft beginnt jetzt", in: Der Dritte Weg 7/92
[2] Süddeutsche Zeitung von 14.4.99 
[3] George Bernhard Shaw, Politik für jedermann, Zürich 1948, S. 218-219 
[4] Karl Barth, Die kirchliche Dogmatik Band III/4, Zürich 1951, S. 525 
[5] Luis Ignacio Silva, zitiert in: Susan George, Sie sterben an unserem Geld, Reinbek 1988, Buchrückseite 
[6] John Maynard Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Berlin 1936/96, S. 90, 110 u. 322 
[7] Silvio Gesell, Gesammelte Werke, Lütjenburg 1988-1999, Band 12, S. 28 und 290-292.



ZITATE

»Rüstung bedeutet ökonomisch den Abzug zinsdrückenden Kapitals vom Markt. Und da die Rüstungsindustrie nicht für den Markt produziert, bedeutet Rüstung die Trocken- legung zinsbedrohender Kapitalüberschüsse auf Kosten der Steuerzahler.«
Hans Fabricius, Auf des Messers Schneide, in: Telos, Nr. 12/1966, S. 409

»Der Krieg ist die großzügigste und wir- kungsvollste 'Reinigungskrise zur Beseitigung der Überinvestition', die es gibt. Er eröffnet gewaltige Möglichkeiten neuer zusätzlicher Kapitalinvestitionen und sorgt für gründlichen Verbrauch und Verschleiß der angesammelten Vorräte an Waren und Kapitalien, wesentlich rascher und durchgreifender, als es in den gewöhnlichen Depressionsperioden auch bei stärkster künstlicher Nachhilfe möglich ist. So ist ... der Krieg das beste Mittel, um die endgültige Katastrophe des ganzen kapitalis- tischen Wirtschaftssystems immer wieder hinauszuschieben.«
Ernst Winkler, Theorie der natürlichen Wirtschaftordnung, Heidelberg 1952, S. 125

»Ich glaube, daß wir in unserem Geld- system eine Art karzinombildendes Element haben, was unsere Wirtschaft fortwährend krank macht ... Meiner Meinung nach kann dieses Geldsystem nur dadurch funktionieren, daß es immer wieder zusammenbricht und dann immer wieder von vorn begonnen wird. Diese Zusammenbrüche nennt man dann Kriege oder Wirtschaftskatastrophen oder Inflationen, je nachdem, aber das bedeutet eigentlich nur, daß dieses System in sich selbst kein Regulativ hat, was zu einer ver- nünftigen Eindämmung führen würde ...«
Michael Ende, Autor, Interview mit Helmar v. Hanstein, 1992

»Es kann keinen Frieden auf Erden geben, ehe wir nicht die Forderung unserer Zeit erfüllen und jedem Arbeiter den vollen Ver- dienst seiner Arbeit verschaffen.«
Abraham Lincoln, ehemaliger Präsident der USA




Bombenerfolge für britische Industrie erhofft

London kämpft bereits mit den USA um Aufträge für den Wiederaufbau Kuwaits

Von unserem Korrespondenten

London, 11. Februar Die Londoner Regierung fordert mit größerem Nachdruck die Beteiligung briti- scher Unternehmen an dem Wiederaufbau in Kuwait, wenn der Krieg gegen Irak ein- mal vorüber ist. Die Briten erwarten eine bevorzugte Behandlung bei der Vergabe der Aufträge, welche den eigenen militäri- schen Beitrag zur Befreiung des Landes in Rechnung stellt. Der Korrespondent der Financial Times berichtet aus Riad über das Treffen: »Peinlichkeit bei den Diskussionen war nicht zu erkennen, obwohl Kuwait erst noch befreit werden muß und ein großer Teil der Infrastruktur, welche britische Unternehmen wiederaufbauen wollen, noch nicht zerstört ist.« Jede erfolgreiche britische Bombe ist daher kommerziell und finanziell auch ein möglicher Erfolg für die britischen Firmen, die gerade in einer Zeit der Rezession dankbar für Aufträge sind. Das gleiche gilt prinzipiell genauso für die anderen Mit- glieder der Allianz gegen Saddam Hussein, voran die USA.



Quelle: Zeitschrift für Sozialökonomie 128/2001 | Version Sonderdruck


Original-Artikel gefunden unter: http://www.deweles.de/files/krieg.pdf

Gesehen bei: Opium des Volkes

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