Intrigen der Elite und Säuberungen im Militär: Es geht nicht um Sexskandale, Dummkopf!
von James Petras
In Titelgeschichten und Schlagzeilen wird behauptet, der frühere
CIA-Direktor General David Petraeus sei aufgrund einer Ehebruchsaffäre mit
seiner jungen Biografin zurückgetreten, und gegen General John Allen,
Oberkommandierender der amerikanischen Truppen in Afghanistan, werde ermittelt
und seine anstehende Beförderung zum Oberkommandierenden der amerikanischen
Truppen in Europa sei vorerst auf Eis gelegt, weil er, so wird uns gesagt,
»unangemessene« Kommentare in seinem E-Mail-Verkehr mit einer befreundeten
weiblichen Zivilistin geäußert habe.
Man sagt uns, ein »aggressiver und hartnäckiger« lokaler FBI-Beamter namens
Frederick Humphries jun. habe amouröse E-Mails, die von General Petraeus an
dessen Geliebte und Biografin versendet worden waren, bei Ermittlungen wegen des
Vorwurfs des »Cyber-Stalkings« entdeckt. Und aus Sorge darüber, das
»ehebrecherische Verhalten« des Generals bedrohe die nationale
Sicherheit, habe der in Florida eingesetzte FBI-Beamte Humphries seine
Beweise dem einflussreichen republikanischen Abgeordneten Eric Cantor übergeben,
der sie dann seinerseits an den Direktor des FBI weiterleitete … was dann zum
Rücktritt von Petraeus führte.
Uns wird mit anderen Worten weisgemacht, ein einzelner FBI-Agent mit
einem niedrigen Dienstgrad sei in der Lage gewesen, die Karrieren zweier
führender amerikanischer Generäle allein auf der Grundlage des Vorwurfs
ehelicher Untreue und eines Flirts abrupt zu beenden: Der eine war Chef des
wichtigsten amerikanischen Geheimdienstes CIA und der andere hatte das
Oberkommando der USA und ihrer Verbündeten auf dem wichtigsten Kriegsschauplatz
inne.
Nichts ist schon beim ersten Augenschein allein mehr an den Haaren
herbeigezogen.
In den Bereichen straffer hierarchischer Organisationen wie dem Militär oder
der CIA, in denen das Handeln und das Verhalten untergeordneter
Funktionsträger zentral gelenkt wird und jede Ermittlung der Genehmigung durch
hochrangige Vorgesetzte bedarf (insbesondere wenn es darum geht, in den
privaten Korrespondenzen des Chefs des Geheimdienstes und des
Oberkommandierenden eines Befehlsbereichs von strategischer Bedeutung
herumzuschnüffeln), ist die Vorstellung, ein einzelner Ermittler arbeite
sozusagen auf eigene Verantwortung, geradezu grotesk. Ein »einsamer« Ermittler könnte niemals
eine solche Ermittlung gegen so sensitive Zielpersonen wie den CIA-Chef
und den kommandierenden General auf einem aktiven Kriegsschauplatz ohne
Genehmigung von höchster Stelle oder eines Netzwerks politischer Schwergewichte,
die eine umfassendere Agenda verfolgen, einleiten. Hier geht es um mehr als nur
eine banale, einvernehmliche Sexaffäre zweier Erwachsener mit entsprechender
Geheimnisfreigabe, auch wenn der betreffende Ermittler behauptet, »Unzucht«
stelle eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA dar.
Natürlich bewegen wir uns hier in trüben und gefährlichen Gewässern: Hier
geht es um eine politische Intrige auf höchster Ebene mit weitreichenden
Auswirkungen auf die nationale Sicherheit, da es um die Leitung der CIA
und verdeckte Operationen, Geheimdienstberichte, Ausgaben in Milliardenhöhe und
amerikanische Bemühungen geht, Vasallenstaaten zu unterstützen und feindliche
Regime zu destabilisieren. CIA-Berichte, in denen Verbündete und Gegner
bestimmt werden, haben maßgeblichen Einfluss auf die weltweite amerikanische
Außenpolitik. Jede Veränderung an der Spitze der operationellen Kommandoebene
des amerikanischen Imperiums hat strategische Bedeutung.
Die Bloßstellung General Allens, des militärischen Oberkommandierenden in
Afghanistan, dem derzeit wichtigsten Schauplatz amerikanischer
Militäroperationen, erfolgt in einer kritischen Phase: Der fahrplanmäßige Abzug
der amerikanischen Kampftruppen läuft bereits, und die afghanischen »Sepoys« ,
die Hilfstruppen und Offiziere des Marionettenregimes Karzais, zeigen deutliche
Anzeichen von Unzufriedenheit und Unzuverlässigkeit. Dies alles deutet darauf
hin, dass es sich hier um einen politisch motivierten Schachzug auf höchster
Ebene handelt.
Welche politischen Querelen stecken hinter dem Sturz der beiden
Generäle? Wer profitiert davon, und wer ist der Verlierer?
Auf weltweiter Ebene waren beide Generäle unbeirrbare Anhänger und
Unterstützer des amerikanischen Empire und insbesondere der vom Militär
geprägten und vorangetriebenen Faktoren des Erhalts und der Ausdehnung des
Empire. Beide befürworteten vehement und anhaltend die Reihe von Kriegen, die
von den Präsidenten Bush und Obama gegen Afghanistan und den Irak vom Zaun gebrochen worden waren, sowie die zahlreichen Stellvertreterkriege
gegen Libyen, Syrien, den Jemen, Somalia usw. Aber beide Generäle hatten sich
auch öffentlich zu Auffassungen bekannt, die von bestimmten wichtigen Fraktionen
der amerikanischen Machtelite sehr kritisch betrachtet werden.
CIA-Chef General Petraeus gehörte zu den wichtigen Unterstützern der
Stellvertreterkriege gegen Libyen und Syrien. In diesem Zusammenhang
befürwortete er die Zusammenarbeit mit konservativen islamistischen Regimen und
islamistischen Oppositionsgruppen. Dies schloss auch die Bewaffnung und
Ausbildung islamischer Fundamentalisten ein, um feindliche und zumeist säkulare
Regime in der Nahmittelostregion zu stürzen. Bei dieser Vorgehensweise konnte
sich Petraeus der Rückendeckung fast des gesamten amerikanischen politischen
Spektrums gewiss sein. Aber Petraeus war sich auch darüber im Klaren, dass diese
»Grand Alliance« zwischen den USA und extrem konservativen islamistischen
Regimen und Bewegungen, die die imperiale Vormachtstellung sichern sollten, eine
Neuausrichtung der amerikanischen Beziehungen zu Israel erforderlich machte. Aus
Sicht von Petraeus stellten Netanjahus vorgeschlagener Krieg gegen den Iran und
die allmonatliche weitere blutige Landnahme in den besetzten palästinensischen
Gebieten erhebliche Belastungen dar, da Washington gleichzeitig versuchte, die
Unterstützung der islamistischen Regime in Ägypten, Tunesien, der Türkei,
Afghanistan, Pakistan, den Golfstaaten und des Iraks sowie des Jemen zu
gewinnen.
Sowohl in öffentlichen Stellungnahmen als auch in Gesprächen hinter
verschlossenen Türen setzte er sich dafür ein, Israel die amerikanische
Unterstützung der gewaltsamen Ausweitung der Siedlungen in den besetzten
palästinensischen Gebieten zu entziehen, und drängte die Regierung Obama sogar
dazu, Netanjahu unter Druck zu setzen, eine wie auch immer geartete Vereinbarung
mit der fügsamen amerikanischen Klientel-Regierung unter Abbas abzuschließen.
Vor allem aber unterstützte Petraeus die gewaltbereiten Dschihadisten in Libyen
und Syrien, während er sich andererseits gegen den von Israel gewollten Krieg
gegen den Iran aussprach, der nach seiner Ansicht die gesamte muslimische Welt
gegen das amerikanisch-israelische Bündnis aufbringen und die »stellvertretend
für die USA kämpfenden islamischen Fundamentalisten« dazu provozieren werde,
ihre Waffen gegen ihre CIA-Beschützer zu richten. Die auf imperiale
Interessen gestützte amerikanische Politik stand damit aus der Sicht von
Petraeus im Gegensatz zur israelischen Strategie, Feindschaft und Konflikte zwischen den islamistischen Regimen und
Bewegungen und den USA zu schüren, und richtete sich insbesondere gegen die
Förderung regionaler Konflikte seitens des jüdischen Staates, der damit
versuchte, von den sich verschärfenden ethnischen Säuberungen gegen die
Palästinenser abzulenken. Im Zentrum der israelischen Strategie stand der
Einfluss der zionistischen Organisationen innerhalb und außerhalb der
amerikanischen Regierung, der damit gleichzeitig die unmittelbarste Bedrohung
der Umsetzung der Petraeus-Doktrin darstellte.
Als der Bericht, in dem General Petraeus Israel als »strategische Belastung«
bezeichnete, bekannt geworden war, wurde die zionistische Lobby aktiv und zwang
Petraeus, seine Einschätzung zurückzuziehen – zumindest in der Öffentlichkeit.
Aber sobald er die Leitung der CIA übernommen hatte, setzte Petraeus
seine Politik der Zusammenarbeit mit konservativen islamistischen Regimen fort
und lieferte den Dschihadisten Waffen und Geheimdienstinformationen, um so den
Sturz unabhängiger säkularer Regime zuerst in Libyen und jetzt in Syrien
voranzutreiben. Diese Politik geriet in das Scheinwerferlicht der
Öffentlichkeit, als der amerikanische Botschafter in Libyen sowie weitere
Angehörige der CIA und von Spezialeinheiten von Terroristen ermordet
wurden, die von der CIA unterstützt worden waren. Diese Ereignisse
lösten eine schwere innenpolitische Krise aus, als wichtige republikanische
Politiker im Kongress versuchten, diesen außenpolitischen Fehlschlag der
Regierung Obama parteipolitisch auszunutzen. Sie kritisierten vor allem die
amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice, die ungeschickt versucht
hatte, die eigentlichen Hintergründe der Angriffe in Bengasi zu vertuschen, und
damit ihre Chance, Hillary Clinton als Außenministerin zu beerben,
schmälerte.
General Petraeus geriet nun von allen Seiten unter Druck: Die Israellobby
griff ihn wegen seiner israelkritischen Äußerungen und seiner Unterstützung der
islamistischen Regime an; die Republikaner kritisierten ihn wegen des
Bengasi-Debakels und das FBI nahm ihn im Rahmen der Ermittlungen gegen
seine Geliebte aufs Korn. Als dann noch die Medien gegen ihn mobilisierten, gab
er auf. Er bekannte sich zu seiner »Sexaffäre«, salutierte ein letztes Mal und
trat zurück. Mit diesem Schritt opferte er sich selbst, um »die CIA«
und seine Strategie des Aufbaus langfristiger Bündnisse mit »moderaten«
islamistischen Regimen bei gleichzeitigen kurzfristigen taktischen Bündnissen
mit den Dschihadisten zu retten, alles zu dem hehren Ziel, säkulare arabische
Regime zu stürzen.
Der wichtigste politische Strippenzieher hinter der von den oberen Ebenen des
FBI gelenkten Operation gegen Petraeus war der schon erwähnte
republikanische Mehrheitsführer Eric Cantor, der zynischerweise behauptete, die
romantischen Liebesbriefe des Generals stellten eine Bedrohung der nationalen
Sicherheit der USA dar. Uns wird erzählt, der Abgeordnete Eric Cantor habe die E-Mails und Berichte, die er vom allein auf sich gestellten
FBI-Ermittler Humphries erhalten habe, allen Ernstes an
FBI-Direktor Mueller weitergegeben und gefordert, Mueller solle tätig
werden, andernfalls drohe ihm eine Untersuchung des Kongresses.
Der Abgeordnete Eric Cantor, der seit 2001 für Virginia im Repräsentantenhaus
sitzt, gehört seit langem zu den vehementesten Unterstützern Israels und
kritisierte den Petraeus-Bericht und die Einschätzungen des Generals in Bezug
auf die Nahmittelostregion scharf. Auch der in Florida arbeitende
FBI-Beamte Humphries ist nicht irgendein »Schnüffler«: Er gilt als
notorischer Islamgegner und sucht unter jedem Bett einen Terroristen. Eine
gewisse Berühmtheit (oder das Gegenteil davon) erlangte er durch die Verhaftung
zweier Muslime, von denen einer, wie Humphries behauptete, einen Bombenanschlag
auf den Flughafen von Los Angeles vorbereitet habe, während der andere angeblich
noch einen weiteren Bombenanschlag plante. In einer überraschenden juristischen
Wendung, die in dieser Zeit, in der das FBI oft versuchte, jemanden zu
einer Straftat zu überreden, um ihn dann später anzuklagen (so genannte
»Sting-Operationen«), eher unüblich war, wurden beide Männer aufgrund fehlender
Beweise freigesprochen. Der eine der beiden Männer wurde später verurteilt, weil
er im Internet eine Anleitung dazu veröffentlicht hatte, wie man eine Bombe
mithilfe eines Kinderspielzeugs zünden könnte. Humphries wurde später aus dem
Bundesstaat Washington nach Tampa in Florida versetzt – wo sich auch das
Hauptquartier des amerikanischen Regionalkommandos Central Command
(CENTCOM) befindet.
Trotz deutlicher Unterschiede ihrer Wohnorte und ihres Arbeitsbereichs lassen
sich ideologische Übereinstimmungen zwischen dem Mehrheitsführer des
Repräsentantenhauses Cantor und dem FBI-Beamten Humphries feststellen –
eine davon ist ihre gemeinsame Abneigung gegenüber General Petraeus.
Möglicherweise waren Humphries ausgeprägte Islamfeindschaft und sein
weltanschaulicher Fanatismus auch die Gründe dafür, dass sich das FBI
rasch dazu entschied, ihn von seiner praktisch zu einer »Besessenheit«
gewordenen Schnüffelei in den E-Mails des CIA-Direktors und von General
Allen abzuziehen. Daraufhin wandte sich Humphries dann unbeeindruckt von den
eindeutigen Anweisungen seiner Vorgesetzten direkt an seinen Kumpan im Geiste,
den Abgeordneten Eric Cantor.
Wer profitiert vom Rücktritt von Petraeus? Zu den drei Personen, die derzeit
als mögliche Nachfolger an der Spitze der CIA im Gespräch sind, gehört
die frühere kalifornische Abgeordnete Jane Harmon, die ebenfalls der fanatischen
zionistischen Lobby zuzurechnen ist. In einer gleichfalls überraschenden
juristischen Wendung war 2005 von der NSA ein Gespräch der Abgeordneten
mit einem Mitarbeiter der israelischen Botschaft aufgezeichnet worden, in dem
sie versicherte, sie werde ihren Einfluss geltend machen, um zwei Mitarbeitern
der ebenfalls zur Israel-Lobby zählenden einflussreichen Organisation
AIPAC [American Israel Public Affairs Committee] zu helfen,
die gestanden hatten, geheime amerikanische Dokumente an den israelischen
Geheimdienst Mossad weitergegeben zu haben. Als Gegenleistung verlangte
Harmon, AIPAC solle so viele Stimmen von Abgeordneten organisieren, dass sie zur Vorsitzenden des
Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses gewählt werden würde. Für
dieses Vorgehen, das eigentlich als Verrat zu werten wäre, wurde sie niemals zur
Verantwortung gezogen. Sollte sie tatsächlich an die Spitze der CIA
berufen werden, könnte der Rücktritt von Petraeus als einer der
schwerwiegendsten Coups gegen die Verfassung in die amerikanische Geschichte
eingehen: die Ernennung einer ausländischen Agentin zur Leiterin der weltweit
größten, tödlichsten und reichsten Spionagebehörde. Wer profitiert also vom
Rücktritt von Petraeus? In erster Linie der Staat Israel.
Die mit Unterstellungen, Verleumdungen und der Öffentlichkeit zugespielten
Informationen arbeitenden Untersuchungen der privaten E-Mails von General Allen
sind im Zusammenhang damit zu sehen, dass Allen die amerikanische Politik, die
militärische Präsenz in Afghanistan zu verlängern, infrage stellte. Aufgrund
seiner eigenen praktischen Erfahrungen [als Oberkommandierender der Truppen in
Afghanistan] erkannte Allen die Unzuverlässigkeit der Streitkräfte des
Marionettenstaates Afghanistan: Hunderte amerikanischer Soldaten und
Angehöriger anderer NATO-Truppen wurden von ihren afghanischen
»Kollegen« getötet oder verwundet. An diesen Taten waren Soldaten niedrigerer
Ränge bis hin zu hochrangigen afghanischen Sicherheitsexperten sowie
»einheimische« Soldaten und Offiziere beteiligt, die von den Amerikanern
angeblich auf die Übernahme der »Kommandogewalt« 2014 vorbereitet wurden.
General Allen beurteilte die afghanische Besetzung zunehmend kritisch, als ihm
der zunehmende Einfluss der Taliban und anderer Unterstützer des islamistischen
Widerstands, die die afghanischen Streitkräfte infiltriert hatten und nun fast
alle ländlichen Regionen und viele Städte fast völlig kontrollierten, bewusst
wurde. Allen war überzeugt, [in dieser feindlichen Umgebung] würden sich die
nach dem Abzug des Großteils der amerikanischen Truppen weiterhin im Land
verbleibenden Ausbilder nicht lange halten können. Daher hätte er es vorgezogen,
nach einem Jahrzehnt eines verlorenen Krieges den »Sieg« zu verkünden, um die
amerikanischen Verluste zu verringern und dann das Land zu verlassen und sich in
einer besser geeigneten Region neu aufzustellen.
Zivile Militaristen und Neokonservative in der Regierung und dem Kongress
weigern sich immer noch, mit einem vollständigen Rückzug und der dann
wahrscheinlichen Machtübernahme der Taliban ihre beschämende Niederlage
einzugestehen. Aber andererseits können sie der schmerzhaften, aber
realistischen Einschätzung General Allens nicht offen widersprechen, und ebenso
wenig können sie die Erfahrungen des Oberkommandierenden der amerikanischen
Bodentruppen in Afghanistan einfach beiseite wischen.
Als nun der radikale Islamgegner und FBI-Beamte Humphries in dieser
politisch aufgeheizten Situation über die persönliche Zuneigung ausdrückende
E-Mail-Korrespondenz zwischen General Allen und der sozial engagierten »Femme
fatale« Jill Kelly »stolperte«, setzten die Neokonservativen und die zivilen Militaristen über die feigen Journalisten
der Washington Post, der New York Times und des Wall
Street Journals eine Verleumdungs- und Schmutzkampagne über den angeblich
neuen »Sexskandal« in Gang, in den General Allen angeblich verwickelt sein
sollte. Dieses lautstarke Gezeter der mit den Neokonservativen und zivilen
Kriegstreibern verbündeten Massenmedien veranlasste den rückgratlosen
Präsidenten Obama und die Führung des US-Militärs dazu, ein Ermittlungsverfahren
gegen General Allen einzuleiten und die Anhörungen im Kongress im Zusammenhang
mit der anstehenden Ernennung Allens zum Oberbefehlshaber der amerikanischen
Truppen in Europa zu verschieben. General Allen nahm zwar in aller Stille seine
Funktion als Oberkommandierender der amerikanischen Truppen in Afghanistan
wieder auf, aber sein Ansehen und seine persönliche Integrität als Offizier sind
beschädigt, und seine fachliche Expertise und seine Einschätzung zur Zukunft der
amerikanischen Präsenz in Afghanistan werden nicht länger ernst genommen
werden.
Einige wichtige, aber bisher unbeantwortete Fragen im Zusammenhang
mit Intrigen der Elite und Säuberungen im Militär
Da die offizielle Darstellung, nach der ein einzelgängerischer, fanatisch
islamfeindlicher und inkompetenter FBI-Beamter niedrigen Dienstgrades
zufällig einen »Sexskandal« aufdeckte, der zur öffentlichen Brüskierung bzw. zum
Rücktritt zwei der höchsten amerikanischen Militärs und Geheimdienstler führte,
für jeden denkenden Amerikaner grotesk absurd ist, müssen einige wichtige
politische Fragen mit grundlegenden Auswirkungen auf das politische System der
USA angesprochen werden:
- Welche politischen Vertreter der Exekutive (wenn überhaupt) ermächtigten das
FBI, also eine im Inland tätige Sicherheitsbehörde, gegen den
CIA-Direktor zu ermitteln und ihn zum Rücktritt zu zwingen?
- Haben die gegenwärtig wirksamen polizeistaatlichen Strukturen mit ihren
weitverbreiteten und willkürlichen Überwachungsmaßnahmen dazu geführt, dass sich
unsere nachrichtendienstlichen Institutionen jetzt gegenseitig ausspionieren, um
auf diese Weise für Säuberungen in den Führungsetagen der jeweils anderen
Einrichtung zu sorgen? Etwa nach dem Motto: Die Revolution frisst ihre
eigenen Kinder.
- Was waren die wirklichen Absichten der politischen Entscheidungsträger, die den FBI-Agenten schützten, nachdem er sich entgegen der Anordnungen seiner Vorgesetzten weiter in die Ermittlungen gegen den CIA-Direktor einmischte?
- Lassen sich Verbindungen zwischen dem FBI-Beamten Humphries und neokonservativen, zionistischen oder islamfeindlichen Politikern oder Personen aus dem nachrichtendienstlichen Umfeld, einschließlich des israelischen Geheimdienstes Mossad, aufzeigen?
- Warum »akzeptierte« (d.h. erzwang) Präsident Obama sofort das Rücktrittsgesuch des CIA-Direktors, nachdem so etwas im zivilen Leben Alltägliches wie Ehebruch an die Öffentlichkeit gelangt war und er zuvor General Petraeus überschwänglich als brillanten und gelehrten Militärfachmann gelobt hatte? Worum geht es bei den tieferen politischen Konflikten, die zu dieser mit dem Rücktritt vorweggenommenen Säuberung führten?
- Welche entscheidenden politischen Probleme und grundlegenden widerstreitenden politischen Auffassungen sollten hier auf dem Umweg über Erpressung, Schmutz- und Verleumdungskampagnen und Rufmord und nicht über offen geführte Debatten und Auseinandersetzungen beigelegt werden? Dies bezieht sich auf Entscheidungen, die die Wahl strategischer oder taktischer »Verbündeter« und die Kriegführung im Ausland betreffen.
- Sind Säuberungsaktionen und die öffentliche Demütigung und Demontage führender amerikanischer Offiziere zu einer allgemein akzeptierten Form der Bestrafung geworden? Sollte hier ein »Exempel statuiert werden«, als Warnung der zivilen Kriegstreiber, wenn es um die Politik in der Nahmittelostregion gehe, bestehe die Aufgabe des Militärs nicht darin, kritische Fragen zu stellen, sondern ihren Anordnungen (und denen Israels) Folge zu leisten?
- Wie kann es dazu kommen, dass eine Person wie Jane Harmon, die nachgewiesenermaßen mit dem israelischen Geheimdienst Mossad zusammengearbeitet hat und als fanatische Zionistin gilt, nur wenige Tage nach dem Rücktritt von General Petraeus als eine führende Kandidatin für dessen Nachfolge als CIA-Chef gehandelt wird? Gibt es frühere und aktive politische Verbindungen zwischen dem Abgeordneten Eric Cantor (dem fanatischen Anführer der Pro-Israel-Lobby im amerikanischen Kongress, der die Unterlagen über Petraeus, die der FBI-Beamte Humphries unerlaubterweise an ihn übergeben hatte, an FBI-Direktor Robert S. Mueller weiterreichte) und der prozionistischen Abgeordneten Jane Harmon?
- Würde der Amtsverzicht von Petraeus und die mögliche Ernennung von Jane Harmon zur CIA-Chefin den israelischen Einfluss auf und die Kontrolle der amerikanischen Nahmittelost-Politik und insbesondere der Annäherung der USA an islamistische Länder verstärken?
- Auf welche Weise wird sich die öffentliche Demütigung von General Allen auf den amerikanischen »Rückzug« aus dem Afghanistan-Desaster auswirken?
Schlussbemerkung
Die Entfernung führender Generäle und anderer Vertreter der Exekutive aus
einflussreichen außenpolitischen und militärischen Funktionen im Rahmen von
Säuberungen spiegelt den weiteren Verfall unserer verfassungsmäßigen Rechte und
verbleibender demokratischer Verfahren wider: Sie belegt auf eindringliche Weise
die Unfähigkeit der höchsten Ebene unserer Führung, heftige interne Konflikte zu
lösen, ohne gleich das »große Messer« herausholen zu müssen. Der um sich
greifende und ausufernde Polizeistaat, in dem Überwachungseinrichtungen ihre
politische Macht über die Bürger massiv ausweiten konnten, wendet sich nun auch
mit polizeilichen Mitteln und über Säuberungen gegen die Führungsetagen anderer,
möglicherweise konkurrierender Einrichtungen: FBI, CIA, das
Heimatschutzministerium, die NSA und das Militär – sie alle versuchen,
ihren Einfluss zu vergrößern, und schließen dazu Bündnisse mit den Massenmedien,
zivilen Mitgliedern der Exekutive und des Kongresses sowie Lobbygruppen, die ausländische
Interessen vertreten, um an Macht und Einfluss zu gewinnen und so ihre eigenen
Vorstellungen über den Auf- und Ausbau des amerikanischen Empire verwirklichen
zu können.
Der Sturz von Petraeus und die öffentliche Demütigung General Allens sind als
Sieg der zivilen Kriegstreiber und Militaristen zu werten, die die Politik
Israels uneingeschränkt unterstützen und daher jede Öffnung gegenüber
»moderaten« islamistischen Regimen grundsätzlich ablehnen. Sie setzen auf eine
lang anhaltende und ausgeweitete amerikanische Militärpräsenz in Afghanistan und
anderswo.
Der wirkliche auslösende Umstand dieses hässlichen Streits in der
Führungsetage betrifft das Zerbröckeln des amerikanischen Empire und die
Auseinandersetzung darüber, wie mit diesen neuen Herausforderungen umzugehen
sei. Die Anzeichen des Verfalls sind allgegenwärtig: die offensichtlich fehlende
Moral des Militärs: hochdekorierte Generäle missbrauchen ihre Untergebenen und
häufen über die Plünderungen der öffentlichen Finanzen und über Rüstungsverträge
immensen Reichtum an; Politiker lassen sich über millionenschwere Zuwendungen
(auch seitens ausländischer Mächte) korrumpieren und ausländische Interessen
bestimmen wichtige Aspekte der amerikanischen Außenpolitik.
Das Ansehen des amerikanischen Kongresses ist auf einem absoluten Tiefpunkt
angelangt – mehr als 87 Prozent der Amerikaner sind der Ansicht,
Repräsentantenhaus und Kongress schaden gleichermaßen dem Gemeinwohl, sind
korrupt und bereichern sich schamlos. Die Wirtschaftselite ist immer wieder in
massive Betrugsskandale zulasten von Investoren in den Einzelhandel, von
Hypothekennehmern oder auch von Konkurrenten verwickelt. Multinationale Konzerne
und die Superreichen schaffen ihr Geld ins Ausland und blähen ihre
Auslandskonten auf. Die Exekutive ihrerseits (etwa Präsident Obama mit seinem
Dauergrinsen) schickt Todesschwadrone und angeheuerte Terroristen zu verdeckten
Operationen aus, um Gegner aus dem Weg zu räumen und damit die eigene
Unfähigkeit zu vertuschen, das Empire mit den diplomatischen oder traditionellen
Mitteln wie dem Einsatz von Bodentruppen oder der Errichtung eines weiteren
Vasallenstaates zu verteidigen. Die Vetternwirtschaft blüht allerorten: Zwischen
der Wall Street, dem US-Finanzministerium und dem Pentagon gibt es gut geölte Drehtüren. Apathie und
Zynismus sind in der Öffentlichkeit weit verbreitet. Fast die Hälfte der
Wahlberechtigten stimmt nicht einmal mehr bei Präsidentschaftswahlen ab, und von
denen, die noch wählen gehen, rechnen vier Fünftel nicht damit, dass die
gewählten Volksvertreter ihre Wahlversprechen erfüllen.
Aggressive zivile Kriegstreiber und Militaristen haben wesentliche
Schlüsselposten und -funktionen übernommen und fühlen sich nicht mehr an die
Vorgaben der Verfassung gebunden. Die Kosten des militärischen Scheiterns und
die öffentlichen Ausgaben für eine immer ausgedehntere Überwachung, Sicherheit
und das Militär und parallel dazu ebenfalls das Haushalts- und Handelsdefizit
steigen immer weiter an. Fraktionskämpfe zwischen rivalisierenden
imperialistischen Cliquen verstärken sich; Säuberungen, Erpressungsmanöver,
Sexskandale und Unmoral an höchster Stelle sind zur Regel geworden.
Demokratische Diskurse werden ausgehöhlt, und das Konzept eines demokratischen
Staatswesens hat an Glaubwürdigkeit verloren. Kein verständiger Amerikaner
glaubt noch daran.
Gibt es einen Besen, der groß genug ist, diesen Augiasstall auszumisten? Wird
aus allen diesen Intrigen und dieser Korruption ein »Herkules« hervortreten, der
die Charakterstärke und die Entschlossenheit besitzt, sich an die Spitze der
revolutionären Empörung zu stellen? Vielleicht trägt der rüde Rausschmiss und
die brutale Demütigung amerikanischer Offiziere im Interesse der zivilen
Kriegstreiber und Militaristen (die man auch als »Chicken-Hawks« bezeichnet,
weil sie sich für militärische Operationen oder Kriege stark machen, aber selbst
dem Dienst mit der Waffe entzogen) und ihrer ausländischen Interessen dazu bei,
vielen Offizieren die Augen zu öffnen und ihre Karriere, ihre Loyalität und ihre
Verpflichtung gegenüber der Verfassung neu zu überdenken.
Quelle: KOPP Online (26.11.2012)
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