Tuesday, 27 November 2012

Intrigen der Elite und Säuberungen im Militär: Es geht nicht um Sexskandale, Dummkopf!

von James Petras
In Titelgeschichten und Schlagzeilen wird behauptet, der frühere CIA-Direktor General David Petraeus sei aufgrund einer Ehebruchsaffäre mit seiner jungen Biografin zurückgetreten, und gegen General John Allen, Oberkommandierender der amerikanischen Truppen in Afghanistan, werde ermittelt und seine anstehende Beförderung zum Oberkommandierenden der amerikanischen Truppen in Europa sei vorerst auf Eis gelegt, weil er, so wird uns gesagt, »unangemessene« Kommentare in seinem E-Mail-Verkehr mit einer befreundeten weiblichen Zivilistin geäußert habe.
 
Man sagt uns, ein »aggressiver und hartnäckiger« lokaler FBI-Beamter namens Frederick Humphries jun. habe amouröse E-Mails, die von General Petraeus an dessen Geliebte und Biografin versendet worden waren, bei Ermittlungen wegen des Vorwurfs des »Cyber-Stalkings« entdeckt. Und aus Sorge darüber, das »ehebrecherische Verhalten« des Generals bedrohe die nationale
Sicherheit, habe der in Florida eingesetzte FBI-Beamte Humphries seine Beweise dem einflussreichen republikanischen Abgeordneten Eric Cantor übergeben, der sie dann seinerseits an den Direktor des FBI weiterleitete … was dann zum Rücktritt von Petraeus führte.

Uns wird mit anderen Worten weisgemacht, ein einzelner FBI-Agent mit einem niedrigen Dienstgrad sei in der Lage gewesen, die Karrieren zweier führender amerikanischer Generäle allein auf der Grundlage des Vorwurfs ehelicher Untreue und eines Flirts abrupt zu beenden: Der eine war Chef des wichtigsten amerikanischen Geheimdienstes CIA und der andere hatte das Oberkommando der USA und ihrer Verbündeten auf dem wichtigsten Kriegsschauplatz inne.



Nichts ist schon beim ersten Augenschein allein mehr an den Haaren herbeigezogen.

In den Bereichen straffer hierarchischer Organisationen wie dem Militär oder der CIA, in denen das Handeln und das Verhalten untergeordneter Funktionsträger zentral gelenkt wird und jede Ermittlung der Genehmigung durch hochrangige Vorgesetzte bedarf (insbesondere wenn es darum geht, in den privaten Korrespondenzen des Chefs des Geheimdienstes und des Oberkommandierenden eines Befehlsbereichs von strategischer Bedeutung herumzuschnüffeln), ist die Vorstellung, ein einzelner Ermittler arbeite sozusagen auf eigene Verantwortung, geradezu grotesk. Ein »einsamer« Ermittler könnte niemals eine solche Ermittlung gegen so sensitive Zielpersonen wie den CIA-Chef und den kommandierenden General auf einem aktiven Kriegsschauplatz ohne Genehmigung von höchster Stelle oder eines Netzwerks politischer Schwergewichte, die eine umfassendere Agenda verfolgen, einleiten. Hier geht es um mehr als nur eine banale, einvernehmliche Sexaffäre zweier Erwachsener mit entsprechender Geheimnisfreigabe, auch wenn der betreffende Ermittler behauptet, »Unzucht« stelle eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA dar.

Natürlich bewegen wir uns hier in trüben und gefährlichen Gewässern: Hier geht es um eine politische Intrige auf höchster Ebene mit weitreichenden Auswirkungen auf die nationale Sicherheit, da es um die Leitung der CIA und verdeckte Operationen, Geheimdienstberichte, Ausgaben in Milliardenhöhe und amerikanische Bemühungen geht, Vasallenstaaten zu unterstützen und feindliche Regime zu destabilisieren. CIA-Berichte, in denen Verbündete und Gegner bestimmt werden, haben maßgeblichen Einfluss auf die weltweite amerikanische Außenpolitik. Jede Veränderung an der Spitze der operationellen Kommandoebene des amerikanischen Imperiums hat strategische Bedeutung.

Die Bloßstellung General Allens, des militärischen Oberkommandierenden in Afghanistan, dem derzeit wichtigsten Schauplatz amerikanischer Militäroperationen, erfolgt in einer kritischen Phase: Der fahrplanmäßige Abzug der amerikanischen Kampftruppen läuft bereits, und die afghanischen »Sepoys« , die Hilfstruppen und Offiziere des Marionettenregimes Karzais, zeigen deutliche Anzeichen von Unzufriedenheit und Unzuverlässigkeit. Dies alles deutet darauf hin, dass es sich hier um einen politisch motivierten Schachzug auf höchster Ebene handelt.


Welche politischen Querelen stecken hinter dem Sturz der beiden Generäle? Wer profitiert davon, und wer ist der Verlierer?

Auf weltweiter Ebene waren beide Generäle unbeirrbare Anhänger und Unterstützer des amerikanischen Empire und insbesondere der vom Militär geprägten und vorangetriebenen Faktoren des Erhalts und der Ausdehnung des Empire. Beide befürworteten vehement und anhaltend die Reihe von Kriegen, die von den Präsidenten Bush und Obama gegen Afghanistan und den Irak vom Zaun gebrochen worden waren, sowie die zahlreichen Stellvertreterkriege gegen Libyen, Syrien, den Jemen, Somalia usw. Aber beide Generäle hatten sich auch öffentlich zu Auffassungen bekannt, die von bestimmten wichtigen Fraktionen der amerikanischen Machtelite sehr kritisch betrachtet werden.

CIA-Chef General Petraeus gehörte zu den wichtigen Unterstützern der Stellvertreterkriege gegen Libyen und Syrien. In diesem Zusammenhang befürwortete er die Zusammenarbeit mit konservativen islamistischen Regimen und islamistischen Oppositionsgruppen. Dies schloss auch die Bewaffnung und Ausbildung islamischer Fundamentalisten ein, um feindliche und zumeist säkulare Regime in der Nahmittelostregion zu stürzen. Bei dieser Vorgehensweise konnte sich Petraeus der Rückendeckung fast des gesamten amerikanischen politischen Spektrums gewiss sein. Aber Petraeus war sich auch darüber im Klaren, dass diese »Grand Alliance« zwischen den USA und extrem konservativen islamistischen Regimen und Bewegungen, die die imperiale Vormachtstellung sichern sollten, eine Neuausrichtung der amerikanischen Beziehungen zu Israel erforderlich machte. Aus Sicht von Petraeus stellten Netanjahus vorgeschlagener Krieg gegen den Iran und die allmonatliche weitere blutige Landnahme in den besetzten palästinensischen Gebieten erhebliche Belastungen dar, da Washington gleichzeitig versuchte, die Unterstützung der islamistischen Regime in Ägypten, Tunesien, der Türkei, Afghanistan, Pakistan, den Golfstaaten und des Iraks sowie des Jemen zu gewinnen.

Sowohl in öffentlichen Stellungnahmen als auch in Gesprächen hinter verschlossenen Türen setzte er sich dafür ein, Israel die amerikanische Unterstützung der gewaltsamen Ausweitung der Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten zu entziehen, und drängte die Regierung Obama sogar dazu, Netanjahu unter Druck zu setzen, eine wie auch immer geartete Vereinbarung mit der fügsamen amerikanischen Klientel-Regierung unter Abbas abzuschließen. Vor allem aber unterstützte Petraeus die gewaltbereiten Dschihadisten in Libyen und Syrien, während er sich andererseits gegen den von Israel gewollten Krieg gegen den Iran aussprach, der nach seiner Ansicht die gesamte muslimische Welt gegen das amerikanisch-israelische Bündnis aufbringen und die »stellvertretend für die USA kämpfenden islamischen Fundamentalisten« dazu provozieren werde, ihre Waffen gegen ihre CIA-Beschützer zu richten. Die auf imperiale Interessen gestützte amerikanische Politik stand damit aus der Sicht von Petraeus im Gegensatz zur israelischen Strategie, Feindschaft und Konflikte zwischen den islamistischen Regimen und Bewegungen und den USA zu schüren, und richtete sich insbesondere gegen die Förderung regionaler Konflikte seitens des jüdischen Staates, der damit versuchte, von den sich verschärfenden ethnischen Säuberungen gegen die Palästinenser abzulenken. Im Zentrum der israelischen Strategie stand der Einfluss der zionistischen Organisationen innerhalb und außerhalb der amerikanischen Regierung, der damit gleichzeitig die unmittelbarste Bedrohung der Umsetzung der Petraeus-Doktrin darstellte.

Als der Bericht, in dem General Petraeus Israel als »strategische Belastung« bezeichnete, bekannt geworden war, wurde die zionistische Lobby aktiv und zwang Petraeus, seine Einschätzung zurückzuziehen – zumindest in der Öffentlichkeit. Aber sobald er die Leitung der CIA übernommen hatte, setzte Petraeus seine Politik der Zusammenarbeit mit konservativen islamistischen Regimen fort und lieferte den Dschihadisten Waffen und Geheimdienstinformationen, um so den Sturz unabhängiger säkularer Regime zuerst in Libyen und jetzt in Syrien voranzutreiben. Diese Politik geriet in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, als der amerikanische Botschafter in Libyen sowie weitere Angehörige der CIA und von Spezialeinheiten von Terroristen ermordet wurden, die von der CIA unterstützt worden waren. Diese Ereignisse lösten eine schwere innenpolitische Krise aus, als wichtige republikanische Politiker im Kongress versuchten, diesen außenpolitischen Fehlschlag der Regierung Obama parteipolitisch auszunutzen. Sie kritisierten vor allem die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice, die ungeschickt versucht hatte, die eigentlichen Hintergründe der Angriffe in Bengasi zu vertuschen, und damit ihre Chance, Hillary Clinton als Außenministerin zu beerben, schmälerte.

General Petraeus geriet nun von allen Seiten unter Druck: Die Israellobby griff ihn wegen seiner israelkritischen Äußerungen und seiner Unterstützung der islamistischen Regime an; die Republikaner kritisierten ihn wegen des Bengasi-Debakels und das FBI nahm ihn im Rahmen der Ermittlungen gegen seine Geliebte aufs Korn. Als dann noch die Medien gegen ihn mobilisierten, gab er auf. Er bekannte sich zu seiner »Sexaffäre«, salutierte ein letztes Mal und trat zurück. Mit diesem Schritt opferte er sich selbst, um »die CIA« und seine Strategie des Aufbaus langfristiger Bündnisse mit »moderaten« islamistischen Regimen bei gleichzeitigen kurzfristigen taktischen Bündnissen mit den Dschihadisten zu retten, alles zu dem hehren Ziel, säkulare arabische Regime zu stürzen.

Der wichtigste politische Strippenzieher hinter der von den oberen Ebenen des FBI gelenkten Operation gegen Petraeus war der schon erwähnte republikanische Mehrheitsführer Eric Cantor, der zynischerweise behauptete, die romantischen Liebesbriefe des Generals stellten eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA dar. Uns wird erzählt, der Abgeordnete Eric Cantor habe die E-Mails und Berichte, die er vom allein auf sich gestellten FBI-Ermittler Humphries erhalten habe, allen Ernstes an FBI-Direktor Mueller weitergegeben und gefordert, Mueller solle tätig werden, andernfalls drohe ihm eine Untersuchung des Kongresses.

Der Abgeordnete Eric Cantor, der seit 2001 für Virginia im Repräsentantenhaus sitzt, gehört seit langem zu den vehementesten Unterstützern Israels und kritisierte den Petraeus-Bericht und die Einschätzungen des Generals in Bezug auf die Nahmittelostregion scharf. Auch der in Florida arbeitende FBI-Beamte Humphries ist nicht irgendein »Schnüffler«: Er gilt als notorischer Islamgegner und sucht unter jedem Bett einen Terroristen. Eine gewisse Berühmtheit (oder das Gegenteil davon) erlangte er durch die Verhaftung zweier Muslime, von denen einer, wie Humphries behauptete, einen Bombenanschlag auf den Flughafen von Los Angeles vorbereitet habe, während der andere angeblich noch einen weiteren Bombenanschlag plante. In einer überraschenden juristischen Wendung, die in dieser Zeit, in der das FBI oft versuchte, jemanden zu einer Straftat zu überreden, um ihn dann später anzuklagen (so genannte »Sting-Operationen«), eher unüblich war, wurden beide Männer aufgrund fehlender Beweise freigesprochen. Der eine der beiden Männer wurde später verurteilt, weil er im Internet eine Anleitung dazu veröffentlicht hatte, wie man eine Bombe mithilfe eines Kinderspielzeugs zünden könnte. Humphries wurde später aus dem Bundesstaat Washington nach Tampa in Florida versetzt – wo sich auch das Hauptquartier des amerikanischen Regionalkommandos Central Command (CENTCOM) befindet.

Trotz deutlicher Unterschiede ihrer Wohnorte und ihres Arbeitsbereichs lassen sich ideologische Übereinstimmungen zwischen dem Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses Cantor und dem FBI-Beamten Humphries feststellen – eine davon ist ihre gemeinsame Abneigung gegenüber General Petraeus. Möglicherweise waren Humphries ausgeprägte Islamfeindschaft und sein weltanschaulicher Fanatismus auch die Gründe dafür, dass sich das FBI rasch dazu entschied, ihn von seiner praktisch zu einer »Besessenheit« gewordenen Schnüffelei in den E-Mails des CIA-Direktors und von General Allen abzuziehen. Daraufhin wandte sich Humphries dann unbeeindruckt von den eindeutigen Anweisungen seiner Vorgesetzten direkt an seinen Kumpan im Geiste, den Abgeordneten Eric Cantor.

Wer profitiert vom Rücktritt von Petraeus? Zu den drei Personen, die derzeit als mögliche Nachfolger an der Spitze der CIA im Gespräch sind, gehört die frühere kalifornische Abgeordnete Jane Harmon, die ebenfalls der fanatischen zionistischen Lobby zuzurechnen ist. In einer gleichfalls überraschenden juristischen Wendung war 2005 von der NSA ein Gespräch der Abgeordneten mit einem Mitarbeiter der israelischen Botschaft aufgezeichnet worden, in dem sie versicherte, sie werde ihren Einfluss geltend machen, um zwei Mitarbeitern der ebenfalls zur Israel-Lobby zählenden einflussreichen Organisation AIPAC [American Israel Public Affairs Committee] zu helfen, die gestanden hatten, geheime amerikanische Dokumente an den israelischen Geheimdienst Mossad weitergegeben zu haben. Als Gegenleistung verlangte Harmon, AIPAC solle so viele Stimmen von Abgeordneten organisieren, dass sie zur Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses gewählt werden würde. Für dieses Vorgehen, das eigentlich als Verrat zu werten wäre, wurde sie niemals zur Verantwortung gezogen. Sollte sie tatsächlich an die Spitze der CIA berufen werden, könnte der Rücktritt von Petraeus als einer der schwerwiegendsten Coups gegen die Verfassung in die amerikanische Geschichte eingehen: die Ernennung einer ausländischen Agentin zur Leiterin der weltweit größten, tödlichsten und reichsten Spionagebehörde. Wer profitiert also vom Rücktritt von Petraeus? In erster Linie der Staat Israel.

Die mit Unterstellungen, Verleumdungen und der Öffentlichkeit zugespielten Informationen arbeitenden Untersuchungen der privaten E-Mails von General Allen sind im Zusammenhang damit zu sehen, dass Allen die amerikanische Politik, die militärische Präsenz in Afghanistan zu verlängern, infrage stellte. Aufgrund seiner eigenen praktischen Erfahrungen [als Oberkommandierender der Truppen in Afghanistan] erkannte Allen die Unzuverlässigkeit der Streitkräfte des Marionettenstaates Afghanistan: Hunderte amerikanischer Soldaten und Angehöriger anderer NATO-Truppen wurden von ihren afghanischen »Kollegen« getötet oder verwundet. An diesen Taten waren Soldaten niedrigerer Ränge bis hin zu hochrangigen afghanischen Sicherheitsexperten sowie »einheimische« Soldaten und Offiziere beteiligt, die von den Amerikanern angeblich auf die Übernahme der »Kommandogewalt« 2014 vorbereitet wurden. General Allen beurteilte die afghanische Besetzung zunehmend kritisch, als ihm der zunehmende Einfluss der Taliban und anderer Unterstützer des islamistischen Widerstands, die die afghanischen Streitkräfte infiltriert hatten und nun fast alle ländlichen Regionen und viele Städte fast völlig kontrollierten, bewusst wurde. Allen war überzeugt, [in dieser feindlichen Umgebung] würden sich die nach dem Abzug des Großteils der amerikanischen Truppen weiterhin im Land verbleibenden Ausbilder nicht lange halten können. Daher hätte er es vorgezogen, nach einem Jahrzehnt eines verlorenen Krieges den »Sieg« zu verkünden, um die amerikanischen Verluste zu verringern und dann das Land zu verlassen und sich in einer besser geeigneten Region neu aufzustellen.

Zivile Militaristen und Neokonservative in der Regierung und dem Kongress weigern sich immer noch, mit einem vollständigen Rückzug und der dann wahrscheinlichen Machtübernahme der Taliban ihre beschämende Niederlage einzugestehen. Aber andererseits können sie der schmerzhaften, aber realistischen Einschätzung General Allens nicht offen widersprechen, und ebenso wenig können sie die Erfahrungen des Oberkommandierenden der amerikanischen Bodentruppen in Afghanistan einfach beiseite wischen.

Als nun der radikale Islamgegner und FBI-Beamte Humphries in dieser politisch aufgeheizten Situation über die persönliche Zuneigung ausdrückende E-Mail-Korrespondenz zwischen General Allen und der sozial engagierten »Femme fatale« Jill Kelly »stolperte«, setzten die Neokonservativen und die zivilen Militaristen über die feigen Journalisten der Washington Post, der New York Times und des Wall Street Journals eine Verleumdungs- und Schmutzkampagne über den angeblich neuen »Sexskandal« in Gang, in den General Allen angeblich verwickelt sein sollte. Dieses lautstarke Gezeter der mit den Neokonservativen und zivilen Kriegstreibern verbündeten Massenmedien veranlasste den rückgratlosen Präsidenten Obama und die Führung des US-Militärs dazu, ein Ermittlungsverfahren gegen General Allen einzuleiten und die Anhörungen im Kongress im Zusammenhang mit der anstehenden Ernennung Allens zum Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Europa zu verschieben. General Allen nahm zwar in aller Stille seine Funktion als Oberkommandierender der amerikanischen Truppen in Afghanistan wieder auf, aber sein Ansehen und seine persönliche Integrität als Offizier sind beschädigt, und seine fachliche Expertise und seine Einschätzung zur Zukunft der amerikanischen Präsenz in Afghanistan werden nicht länger ernst genommen werden.


Einige wichtige, aber bisher unbeantwortete Fragen im Zusammenhang mit Intrigen der Elite und Säuberungen im Militär

Da die offizielle Darstellung, nach der ein einzelgängerischer, fanatisch islamfeindlicher und inkompetenter FBI-Beamter niedrigen Dienstgrades zufällig einen »Sexskandal« aufdeckte, der zur öffentlichen Brüskierung bzw. zum Rücktritt zwei der höchsten amerikanischen Militärs und Geheimdienstler führte, für jeden denkenden Amerikaner grotesk absurd ist, müssen einige wichtige politische Fragen mit grundlegenden Auswirkungen auf das politische System der USA angesprochen werden:

  1. Welche politischen Vertreter der Exekutive (wenn überhaupt) ermächtigten das FBI, also eine im Inland tätige Sicherheitsbehörde, gegen den CIA-Direktor zu ermitteln und ihn zum Rücktritt zu zwingen?
  2. Haben die gegenwärtig wirksamen polizeistaatlichen Strukturen mit ihren weitverbreiteten und willkürlichen Überwachungsmaßnahmen dazu geführt, dass sich unsere nachrichtendienstlichen Institutionen jetzt gegenseitig ausspionieren, um auf diese Weise für Säuberungen in den Führungsetagen der jeweils anderen Einrichtung zu sorgen? Etwa nach dem Motto: Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.
  3. Was waren die wirklichen Absichten der politischen Entscheidungsträger, die den FBI-Agenten schützten, nachdem er sich entgegen der Anordnungen seiner Vorgesetzten weiter in die Ermittlungen gegen den CIA-Direktor einmischte?
  4. Lassen sich Verbindungen zwischen dem FBI-Beamten Humphries und neokonservativen, zionistischen oder islamfeindlichen Politikern oder Personen aus dem nachrichtendienstlichen Umfeld, einschließlich des israelischen Geheimdienstes Mossad, aufzeigen?
  5. Warum »akzeptierte« (d.h. erzwang) Präsident Obama sofort das Rücktrittsgesuch des CIA-Direktors, nachdem so etwas im zivilen Leben Alltägliches wie Ehebruch an die Öffentlichkeit gelangt war und er zuvor General Petraeus überschwänglich als brillanten und gelehrten Militärfachmann gelobt hatte? Worum geht es bei den tieferen politischen Konflikten, die zu dieser mit dem Rücktritt vorweggenommenen Säuberung führten?
  6. Welche entscheidenden politischen Probleme und grundlegenden widerstreitenden politischen Auffassungen sollten hier auf dem Umweg über Erpressung, Schmutz- und Verleumdungskampagnen und Rufmord und nicht über offen geführte Debatten und Auseinandersetzungen beigelegt werden? Dies bezieht sich auf Entscheidungen, die die Wahl strategischer oder taktischer »Verbündeter« und die Kriegführung im Ausland betreffen.
  7. Sind Säuberungsaktionen und die öffentliche Demütigung und Demontage führender amerikanischer Offiziere zu einer allgemein akzeptierten Form der Bestrafung geworden? Sollte hier ein »Exempel statuiert werden«, als Warnung der zivilen Kriegstreiber, wenn es um die Politik in der Nahmittelostregion gehe, bestehe die Aufgabe des Militärs nicht darin, kritische Fragen zu stellen, sondern ihren Anordnungen (und denen Israels) Folge zu leisten?
  8. Wie kann es dazu kommen, dass eine Person wie Jane Harmon, die nachgewiesenermaßen mit dem israelischen Geheimdienst Mossad zusammengearbeitet hat und als fanatische Zionistin gilt, nur wenige Tage nach dem Rücktritt von General Petraeus als eine führende Kandidatin für dessen Nachfolge als CIA-Chef gehandelt wird? Gibt es frühere und aktive politische Verbindungen zwischen dem Abgeordneten Eric Cantor (dem fanatischen Anführer der Pro-Israel-Lobby im amerikanischen Kongress, der die Unterlagen über Petraeus, die der FBI-Beamte Humphries unerlaubterweise an ihn übergeben hatte, an FBI-Direktor Robert S. Mueller weiterreichte) und der prozionistischen Abgeordneten Jane Harmon?
  9. Würde der Amtsverzicht von Petraeus und die mögliche Ernennung von Jane Harmon zur CIA-Chefin den israelischen Einfluss auf und die Kontrolle der amerikanischen Nahmittelost-Politik und insbesondere der Annäherung der USA an islamistische Länder verstärken?
  10. Auf welche Weise wird sich die öffentliche Demütigung von General Allen auf den amerikanischen »Rückzug« aus dem Afghanistan-Desaster auswirken? 
 
 
Schlussbemerkung

Die Entfernung führender Generäle und anderer Vertreter der Exekutive aus einflussreichen außenpolitischen und militärischen Funktionen im Rahmen von Säuberungen spiegelt den weiteren Verfall unserer verfassungsmäßigen Rechte und verbleibender demokratischer Verfahren wider: Sie belegt auf eindringliche Weise die Unfähigkeit der höchsten Ebene unserer Führung, heftige interne Konflikte zu lösen, ohne gleich das »große Messer« herausholen zu müssen. Der um sich greifende und ausufernde Polizeistaat, in dem Überwachungseinrichtungen ihre politische Macht über die Bürger massiv ausweiten konnten, wendet sich nun auch mit polizeilichen Mitteln und über Säuberungen gegen die Führungsetagen anderer, möglicherweise konkurrierender Einrichtungen: FBI, CIA, das Heimatschutzministerium, die NSA und das Militär – sie alle versuchen, ihren Einfluss zu vergrößern, und schließen dazu Bündnisse mit den Massenmedien, zivilen Mitgliedern der Exekutive und des Kongresses sowie Lobbygruppen, die ausländische Interessen vertreten, um an Macht und Einfluss zu gewinnen und so ihre eigenen Vorstellungen über den Auf- und Ausbau des amerikanischen Empire verwirklichen zu können.
 
Der Sturz von Petraeus und die öffentliche Demütigung General Allens sind als Sieg der zivilen Kriegstreiber und Militaristen zu werten, die die Politik Israels uneingeschränkt unterstützen und daher jede Öffnung gegenüber »moderaten« islamistischen Regimen grundsätzlich ablehnen. Sie setzen auf eine lang anhaltende und ausgeweitete amerikanische Militärpräsenz in Afghanistan und anderswo.

Der wirkliche auslösende Umstand dieses hässlichen Streits in der Führungsetage betrifft das Zerbröckeln des amerikanischen Empire und die Auseinandersetzung darüber, wie mit diesen neuen Herausforderungen umzugehen sei. Die Anzeichen des Verfalls sind allgegenwärtig: die offensichtlich fehlende Moral des Militärs: hochdekorierte Generäle missbrauchen ihre Untergebenen und häufen über die Plünderungen der öffentlichen Finanzen und über Rüstungsverträge immensen Reichtum an; Politiker lassen sich über millionenschwere Zuwendungen (auch seitens ausländischer Mächte) korrumpieren und ausländische Interessen bestimmen wichtige Aspekte der amerikanischen Außenpolitik.

Das Ansehen des amerikanischen Kongresses ist auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt – mehr als 87 Prozent der Amerikaner sind der Ansicht, Repräsentantenhaus und Kongress schaden gleichermaßen dem Gemeinwohl, sind korrupt und bereichern sich schamlos. Die Wirtschaftselite ist immer wieder in massive Betrugsskandale zulasten von Investoren in den Einzelhandel, von Hypothekennehmern oder auch von Konkurrenten verwickelt. Multinationale Konzerne und die Superreichen schaffen ihr Geld ins Ausland und blähen ihre Auslandskonten auf. Die Exekutive ihrerseits (etwa Präsident Obama mit seinem Dauergrinsen) schickt Todesschwadrone und angeheuerte Terroristen zu verdeckten Operationen aus, um Gegner aus dem Weg zu räumen und damit die eigene Unfähigkeit zu vertuschen, das Empire mit den diplomatischen oder traditionellen Mitteln wie dem Einsatz von Bodentruppen oder der Errichtung eines weiteren Vasallenstaates zu verteidigen. Die Vetternwirtschaft blüht allerorten: Zwischen der Wall Street, dem US-Finanzministerium und dem Pentagon gibt es gut geölte Drehtüren. Apathie und Zynismus sind in der Öffentlichkeit weit verbreitet. Fast die Hälfte der Wahlberechtigten stimmt nicht einmal mehr bei Präsidentschaftswahlen ab, und von denen, die noch wählen gehen, rechnen vier Fünftel nicht damit, dass die gewählten Volksvertreter ihre Wahlversprechen erfüllen.
 
Aggressive zivile Kriegstreiber und Militaristen haben wesentliche Schlüsselposten und -funktionen übernommen und fühlen sich nicht mehr an die Vorgaben der Verfassung gebunden. Die Kosten des militärischen Scheiterns und die öffentlichen Ausgaben für eine immer ausgedehntere Überwachung, Sicherheit und das Militär und parallel dazu ebenfalls das Haushalts- und Handelsdefizit steigen immer weiter an. Fraktionskämpfe zwischen rivalisierenden imperialistischen Cliquen verstärken sich; Säuberungen, Erpressungsmanöver, Sexskandale und Unmoral an höchster Stelle sind zur Regel geworden. Demokratische Diskurse werden ausgehöhlt, und das Konzept eines demokratischen Staatswesens hat an Glaubwürdigkeit verloren. Kein verständiger Amerikaner glaubt noch daran.

Gibt es einen Besen, der groß genug ist, diesen Augiasstall auszumisten? Wird aus allen diesen Intrigen und dieser Korruption ein »Herkules« hervortreten, der die Charakterstärke und die Entschlossenheit besitzt, sich an die Spitze der revolutionären Empörung zu stellen? Vielleicht trägt der rüde Rausschmiss und die brutale Demütigung amerikanischer Offiziere im Interesse der zivilen Kriegstreiber und Militaristen (die man auch als »Chicken-Hawks« bezeichnet, weil sie sich für militärische Operationen oder Kriege stark machen, aber selbst dem Dienst mit der Waffe entzogen) und ihrer ausländischen Interessen dazu bei, vielen Offizieren die Augen zu öffnen und ihre Karriere, ihre Loyalität und ihre Verpflichtung gegenüber der Verfassung neu zu überdenken.
 
 
 Quelle: KOPP Online (26.11.2012)

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