Stockholm – Schwedische Banken stellen den Bargelddienst in den Filialen ein. Kreditkarten sollen das Zahlen sicherer machen. Kritiker werfen ein, dass vor allem die Banken profitieren. Kunden würden zudem für den Handel völlig berechenbar.
Das große schwedische Finanzinstitut Swedbank sorgt für Aufsehen. Die Bank verkündete, auch in ihrer altehrwürdigen Filiale am Östermalmstorg kein Bargeld mehr auszuzahlen oder entgegenzunehmen.
Der Stadtteil Östermalm ist nicht irgendein Stadtteil. Hier wohnen die reichsten, aber auch ältesten Bürger des Landes. 27 Prozent sind über 60 Jahre alt, sieben Prozent gar über 80 Jahre alt. Viele haben Bankautomaten und Plastikgeld noch nicht akzeptiert.
Den Kunden wird in einem Rundschreiben versprochen, dass die Abwicklung des historisch wohl grundlegendsten Bankdienstes überhaupt vor allem Vorteile bringe. „Das bedeutet, dass wir mehr Zeit aufwenden, um dich zu treffen. Und weniger, um mit Bargeld zu hantieren“, wird auch auf der Internetseite versprochen.
Selbst Busfahrer nehmen kein Bargeld
Die Bargeldabschaffung in der Filiale im feinen Östermalm ist symbolisch für eine Entwicklung in ganz Schweden, welche die führende konservative Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ etwas ironisch als „die Revolution der Banken“ betitelt.
Bereits 1661 gab es eine solche. Damals führte Schweden als erstes Königreich Europas Papiergeld ein. Postkutschen konnten plötzlich 50-mal mehr Geld transportieren als noch mit den beschwerlichen Gold- und Silbermünzen. Heute ist der Geldtransport in Sekundenschnelle über Computer vollstreckt. Nur noch die Barzahler bremsen diese Entwicklung. Von denen gibt es aber kaum noch welche in Schweden. Von insgesamt 1200 Bankfilialen im Königreich wurden bis Mitte 2012 bereits 330 zu bargeldlosen umgewandelt, berichtet „Dagens Nyheter“.
Inzwischen werden auch an schwedischen Würstchenbuden und am Kiosk selbst Kleinstprodukte mit Kreditkarte bezahlt. Wer in Stockholm mit dem Bus fahren will, kann beim Einsteigen nur eine Karte über das Mobiltelefon kaufen.
Mit Karte wird mehr ausgegeben
Schützenhilfe erhalten die Banken von den Gewerkschaften. „Wo es kein Bargeld gibt, gibt es keine Raubüberfälle. Unsere Angestellten müssen sich sicherer fühlen können. Die Einzigen, die dein Bargeld brauchen, sind Verbrecher und deine Oma“, wiederholt Leif Karlsson von der schwedischen Bankengewerkschaft in den immer häufigeren Diskussionsrunden um die bargeldlose Gesellschaft. Der Handel ist positiv gestimmt. Umfragen haben ergeben, dass Konsumenten mit Kreditkarten mehr Geld ausgeben als mit Bargeld.
Aber gerade bei den Omas und Opas liege der Haken, kontern Rentner- und Verbraucherverbände mit unzähligen Beschwerdebriefen frustrierter Bankkunden im Nacken. Es gebe einfach auch noch Menschen, die Bargeld haben möchten. Für die sei einfach nicht nachvollziehbar, dass sie ihr in die Bank eingezahltes, mit Kontoführungsgebühren belastetes Geld nicht mehr ausgezahlt bekommen.
Auch die Anonymität werde nicht mehr gewahrt. Jeder Einkauf könne auf den Käufer zurückgeführt werden. Das sei zwar gut zur Bekämpfung von kriminellen Einnahmequellen, aber auch bedenklich für die Bürgerintegrität.
Auch „Svenska Dagbladet“ schlägt kritische Töne an. Der Übergang zur bargeldlosen Gesellschaft verlaufe in Schweden zu forciert über die Hintertür der Bankenvorstände statt über das Parlament, so ein Kommentator. Banken stellten vor allem die Sicherheit in den Vordergrund. Aber das sei nur die halbe Wahrheit. Banken profitierten, wenn das gesamte Geld der Kunden ständig auf der Bank statt unter einer Matratze oder im Portemonnaie stecke. Vor allem aber ließen die Banken laut „Svenska Dagbladet“ gern unter den Tisch fallen, dass sie rund 80 Öre (zehn Cent) für jeden mit Kreditkarte getätigten Kauf erhalten. Die bargeldlose Gesellschaft sei zwar praktisch, aber vor allem auch ein Mittel der Banken, um Betriebskosten zu senken und mehr Geld zu verdienen, so die Kritiker. Zudem würde der Handel die Kartengebühren an die Endkonsumenten und damit auch die gewöhnlichen Bankkunden abwälzen. Was praktisch wirkt, könne Verbraucher also teuer zu stehen kommen.
Bargeld hat es auch in Deutschland schwer
Auch in Deutschland sehen Finanzdienstleister und vor allem der Handel Vorteile im bargeldlosen Verkehr. Aber es gibt keine konkreten Schritte in Richtung Bargeld-Abschaffung, versichert der Bundesverband Deutscher Banken. Das trifft zwar auf die Banken zu. Doch wer versucht, seine Stromrechnung bar zu bezahlen, wird schnell merken, dass das nicht mehr möglich ist. Auch wer ein Auto zulassen will, darf das nicht, bevor er eine Einzugsermächtigung für die Steuer erteilt. Und Handwerkerrechnungen können nur dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn die Rechnung per Überweisung beglichen wird. Beim öffentlichen Nahverkehr in München gibt es Rabatt für Bargeldverzicht. In Italien ist es inzwischen verboten, bei Summen über 1000 Euro mit Bargeld zu bezahlen. In anderen Ländern – so in Frankreich – gibt es entsprechende Bestrebungen.
Von André Anwar und Martin Prem
Quelle: Münchner Mekur- online / StaSeVe vom 27.02.2013
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